Zuletzt aktualisiert am 23. Dezember 2020
Der Schleuterbach, der Möschbach oder der Wolfsbach – ein dichtes Netz von rund 1350 Kilometern natürlicher Bäche fließt durch den Rhein-Sieg-Kreis. Für ihren guten Durchfluss und damit auch für den Schutz der anliegenden Wohngebiete vor Hochwasser ist Martina Noethen verantwortlich – als erste Frau in dieser Position.
Der Mühlenbach in Siegburg ist zwar das nächstgelegene Gewässer zur Geschäftsstelle des Wasserverbandes, aber er gehört nicht zum Verantwortungsbereich von Martina Noethen. Sie kümmert sich um einen guten Durchfluss der natürlichen Mittelgebirgsbäche im Rhein-Sieg-Kreis. Der Mühlengraben ist hingegen einst künstlich von der Sieg abgeleitet worden, um die Mühle mit Wasser zu betreiben.
Seit zehn Jahren ist Martina Noethen Geschäftsführerin des Wasserverbandes des Rhein-Sieg-Kreises. Davor war sie im Rhein-Sieg-Kreis für Grundwasserschutz zuständig. Im Interview erzählt sie von den spannenden Seiten ihrer Aufgabe und ihren Erfahrungen als erste Frau in dieser Position.
Frau Noethen, worauf sind Sie besonders stolz?
Auf das gute Verhältnis zu den Verbandsmitgliedern. Wir diskutieren offen und streiten uns auch mal. Aber die Kommunikation läuft insgesamt sehr gut. Aber auch darauf, dass wir als Team den Bauhof vergrößert und viele neue Maschinen gekauft haben. Und dass ich hier ein junges Team mit zwei Auszubildenden zusammengestellt habe und wir gemeinsam an unseren Zielen arbeiten. Und ich glaube, wir machen die Arbeit vor Ort gut.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Das ist eine sinnstiftende Arbeit: Wir machen draußen in der Natur etwas für die Natur. Dabei ist es immer schwer, in die Natur einzugreifen. Wir wissen nie, was das Wasser macht, wenn wir zum Beispiel Querbauwerke entfernen oder verrohrte Gewässer offenlegen. Aber jeder sieht das Ergebnis.
Vorher war ich rein in der Verwaltung, in einer Ordnungsbehörde, beschäftigt. Jetzt bin ich in der Bauherrenrolle. Ich darf hier quasi ein kleines Unternehmen mit viel Gestaltungsspielraum führen und mit meinen Leuten etwas umsetzen. Dabei habe ich eine besondere Verantwortung für die öffentlichen Gelder.
Würden Sie selbst sagen, dass Sie eher in einem technischen Bereich beschäftigt sind?
Ein gutes technisches Fachwissen ist schon die Voraussetzung, um Maßnahmen selbst entwickeln zu können, zum Beispiel ein Hochwasserrückhaltebecken unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte zu sanieren. Die technischen Fragestellungen stehen immer am Anfang. Als Geschäftsführerin bin ich allerdings stärker mit der Verwaltung beschäftigt. Als Abteilungsleiterin für den technischen Bereich habe ich inzwischen eine erfahrene Bauingenieurin eingestellt, die zugleich meine Stellvertreterin ist. Zusätzlich konnte ich eine junge Masterabsolventin mit der Vertiefung im Wasserbau gewinnen.
Was haben Sie selbst studiert?
Ich hatte in der Schule als Leistungskurse Mathe und Erdkunde. Geographie und Geologie haben mich immer schon fasziniert. Und so habe ich dann in Köln Geologie studiert. Ende der 80er Jahre kam dann das Umweltthema auf und ich habe noch einen viersemestrigen Ergänzungsstudiengang gemacht mit den Schwerpunkten Wasserbau, Abfall, Altlasten, Umweltrecht. Danach habe ich direkt beim Rhein-Sieg-Kreis im Fachbereich Altlasten und Grundwasserschutz angefangen und bin dann relativ schnell Sachgebietsleiterin und danach Abteilungsleiterin geworden.
Nun sind Sie die erste Frau in der Position der Geschäftsführerin des Wasserverbandes. War das eine besondere Herausforderung?
Es war für mich eine große Umstellung aus einer Verwaltung in einen Betrieb zu wechseln. Als Geschäftsführerin bin ich ja auch für Finanzen und Personal verantwortlich. In der Verwaltung des Rhein-Sieg-Kreises sind das Personal- und Finanzdezernat dafür zuständig. Aber es ist eine Tradition, dass die Geschäftsführung aus der Kreisverwaltung kommt. Und hier hatte ich ja bereits seit 20 Jahren gearbeitet. Landrat Kühn hat mich damals gefragt, ob ich die Aufgabe übernehmen möchte, und die Mitglieder des Verbandes haben mich gewählt. Und damit war das klar.
Das hört sich jetzt so einfach an.
Das war es auch. Ich selbst habe mich eher gefragt, ob ich mit den ausschließlich männlichen Kollegen des Bauhofs gut klarkomme. Aber das hat auch geklappt. Herausfordernd war vor allem, dass ich als Frau mit drei Kindern die ganze Zeit gearbeitet habe und in der überwiegenden Zeit auch alleinerziehend war. Anfang der 90er Jahre war das mit der Kinderbetreuung noch nicht so gut geregelt. Da habe ich schon Federn gelassen.
Arbeiten im Bauhof jetzt immer noch ausschließlich Männer?
Ja, aber der Bauhof wird gerade umgebaut. Und ich habe schon eine Umkleide für Frauen mit bauen lassen. Ich hätte gerne eine Wasserbauerin. Das ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf. Aber bislang hat sich noch keine gemeldet. Okay, das ist schwere Arbeit mit Baggern und anderem technischen Gerät. Aber das würde mich freuen.
Wasserverband Rhein-Sieg-Kreis
Der Verband ist ein Zusammenschluss von 12 Städten und Gemeinden einschließlich des Rhein-Sieg-Kreises und des Landesbetriebs Straßen NRW. Er unterhält und pflegt gemäß des Landeswassergesetzes Nordrhein-Westfalen die Mittelgebirgsbäche im Rhein-Sieg-Kreis. Seit seiner Gründung im Jahr 1965 sind der Hochwasserschutz, aber auch die naturnahe Gestaltung der Gewässer und der Erhalt der biologischen Vielfalt dazugekommen.
Der Wasserverband besteht aus der Geschäftsstelle mit zurzeit acht Mitarbeiter*innen und dem Bauhof, auf dem acht Gewässerwarte beschäftigt sind. In der Geschäftsstelle arbeiten neben einer kaufmännischen Fachkraft eine Juristin, Bauingenieurinnen, Geographen und Techniker. Im Bauhof sind Facharbeiter unterschiedlicher Disziplinen wie Wasserbauer, Forstwirte, Landwirte, Tiefbauer und Vermessungstechniker beschäftigt. Der Verband ist anerkannter Ausbildungsbetrieb für Wasserbauer.
/ Susanne Keil