Laut einer Studie der Social-Media-Agentur HitchOn sind alle zehn beliebtesten Technikinfluencer*innen männlich. Dennoch gibt es auch erfolgreiche Kanäle von Frauen wie @tech_like_vera von Vera Bauer. Mit gender2technik hat sie über die Sichtbarkeit und Perspektive von Frauen in der Technikberichterstattung gesprochen.

Vera Bauer ist eine deutsche Technik-Influencerin und Moderatorin. Sie hat Interactive Media Design studiert und arbeitet für den Technik-Youtube-Kanal „Turn On“ von Saturn vor der Kamera, zudem war sie für den Youtube-Kanal „Apfeltalk“ tätig. Darüber hinaus ist sie auf Youtube, Instagram, Twitter und Tiktok als @tech_like_vera aktiv.

Würdest du jungen Mädchen, die vielleicht auch mit Technik-Content starten wollen, Youtube als ein Startmedium empfehlen?

Man darf nicht erwarten, ein One-Hit Wonder mit dem ersten Video zu werden oder über Nacht viral zu gehen. Diese Leute gibt es zwar, aber es ist nicht der Standard. Als Startmedium würde ich aktuell Tiktok empfehlen, weil es dort viel einfacher ist zu wachsen. Ich rate Neuanfangenden die Plattform zu wählen, die im Moment am populärsten ist.

Woher stammt dein Technikinteresse?

Meine Eltern haben Wert darauf gelegt, mich und meine Schwester ohne feste Rollenklischees zu erziehen. Mein Vater war schon immer sehr technikaffin, hat sich viel mit Computern und Radios beschäftigt und uns spielerisch erklärt, wie alles funktioniert und man Sachen repariert. Super spannend war für mich ein Schulkurs mit Lego-Technik, in den ich sehr viel Zeit investiert habe. Meine Eltern habe ich nach einem eigenen Set “angebettelt“.

Vom Technikinteresse zur Technikinfluencerin ist es ein Sprung. Was hat dich dazu bewogen, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen und Technikcontent zu erstellen?

Ich habe angefangen als Technik-Bloggerin für einen der größten, deutschen Tech-Blogs. Auf einem Event des Blogs hatte ich ein Gespräch mit einem Tech-Youtuber. Das Gespräch hat mich motiviert, in der folgenden Woche auszuprobieren, ob ich eine Technikinfluencerin sein kann und möchte. Das war ein Schlüsselerlebnis.

Gab es damals schon den Ansatz, Technik auf Youtube-Deutschland als Frau zu präsentieren oder hast du eine neue Nische geöffnet?

Mir war bewusst, es gibt eigentlich in der Form keine bekannte, sichtbare Technikinfluencerin in Deutschland und ich könnte versuchen, diese Nische zu bedienen.

Wie sieht die deutsche Technikinfluencerinnen Szene aus? Gibt es typische Merkmale beim Content?

Er ist männlich, heteronormativ und weiß. Die Inhalte sind sehr gleich: Immer schöne Bilder, ein Mann im Bild, viele technische Fakten und Fachbegriffe, die vorausgesetzt werden. Das war für mich damals eine Hürde, da ich mir die ganzen Vokabeln und Fremdwörter selbst aneignen musste, um mit den Inhalten als Technikinfluencerin interagieren zu können.

Wie suchst du neue Themen für deine Kanäle aus?

Natürlich mache ich mir Gedanken, auf wen meine Videos zugeschnitten sind. Anstatt nur Fakten aufzuzählen, wie Akkulaufzeit oder Kameraqualität, versuche ich sowas wie den “weiblichen Blick“ in Reportagen und Selbstexperimente mit einzubeziehen, da mich persönlich stumpfe Daten auch langweilen würden. Ich überlege dann: Was heißt Akkukapazität XY eigentlich? Was kann ich damit machen? Wie komme ich damit durch den Alltag? Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt.

In deinen Videos zeigst du offen, wenn etwas schiefgeht und es mit der Technik nicht so glattläuft. Was versprichst du dir davon?

Mir ist es lange Zeit sehr schwergefallen, Probleme mit Technik zu zeigen und anzusprechen, weil einem dann Kompetenz abgesprochen wird. Mittlerweile ist es mir aber wichtig, genau das zu zeigen, da es ein essenzieller Bestandteil des Umgangs mit Technik ist, dass Fehler passieren. Ich möchte mich nicht verstellen. Was ist denn Kompetenz? Sofort alles richtig machen oder mit Fehlern umgehen und Lösungsvorschläge kompetent vermitteln können?

Das hilft ja auch Zuschauenden, wenn sie Videoinhalte zu Hause nachmachen.

Das hat auch viel mit der Zielgruppe zu tun. Am Anfang, als ich noch überwiegend Männer ansprechen wollte, habe ich versucht, immer bestmöglich kompetent zu wirken. Mittlerweile hat sich meine Zielgruppe verändert und mir ist es wichtig, als Technikinfluencerin mit einer Vorbildfunktion Fehler zeigen zu dürfen. So können Zuschauende daraus lernen.

Wenn Frauen in einem von ihnen unterrepräsentierten Sektor agieren, haben sie oft das Gefühl, besonders gut sein zu müssen, um akzeptiert zu werden. Wie schwer war es, auf Youtube Fuß zu fassen und eine Fangemeinde aufzubauen?

Ich bin jetzt nach fünf Jahren bei 24.000 Abonnentinnen. Die ersten 10.000 haben drei Jahre gedauert, von 10.000 zu 24.000 ein bisschen über ein Jahr. Die ersten drei Jahre waren schleppend.

Die amerikanische Zoologin Lindsay Nikole hat mit kurzweiligem Content auf Tiktok angefangen. Mit einem großen, treuen Following durch Tiktok hat sie jetzt auch einen Youtube-Kanal gestartet.

Die Aufmerksamkeitsspanne ist auch so viel geringer geworden, niemand möchte mehr ein acht Minuten YouTube-Video über Kopfhörer. Das hat man auch in einer Minute auf Tiktok erklärt. Wenn Zuschauende noch mehr ins Detail gehen möchten, kann man es dann auf Youtube anbieten. Ich würde ein Thema ganz unterschiedlich schneiden und verpacken, wenn ich es auf Tiktok oder Youtube poste, es sind ganz andere Erzählstrukturen.

Bist Du schon Kritik und Diskriminierung begegnet und wenn ja, wie gehst du damit um?

Ja, ich habe Diskriminierung erfahren in Kommentaren, aber auch in direkten Nachrichten. Ich gehe damit verschieden um: Wenn ich Lust habe, mich damit auseinanderzusetzen, poste ich unverpixelte Screenshots der Kommentare, dann ist mir auch egal, wenn man sieht, von wem die Aussage stammt. Wenn ich mal keine Nerven dafür habe, lösche ich es einfach. Meine schlimmste Vorstellung ist, dass junge Mädchen so etwas dann lesen und direkt von Technikthemen abgeschreckt sind.

Worauf achtest Du, um Mädchen für MINT zu begeistern?

Mir fallen da drei Punkte ein. Erstens: Eine lockere, authentische, humorvolle Art. Zweitens: Eine gewisse Fehlertoleranz. Drittens: Alltagsnähe und Fokus auf Anwendung.

Du sprichst von dem “weiblichen Blick“ auf Technik, was verstehst Du darunter?

Eigentlich ist das sehr simpel – Bedürfnisse, von denen alle Geschlechter profitieren. Der weibliche Blick heißt für mich einfach eine weitere Sichtweise auf Technik. Auf Tech-Youtube haben wir oft den männlichen Blick auf Technik, aber wir hören nichts von den Erfahrungen von Frauen mit einem technischen Produkt. Das soll auch gar nicht so auf das Geschlecht gemünzt sein, das ist ja nicht ein binäres System. Damit ist alles außer dem Standardblick gemeint.

Zum Beispiel habe ich einen elektrischen Enteiser getestet für ein Video. Dieser war unglaublich schwer und zu groß für meine Hand. Für kleinere Hände, wie meine, ist der Enteiser dann einfach nicht konzipiert. Hätte dieses Produkt ein Mann getestet, wäre dieses Thema vielleicht nicht aufgekommen, da es für ihn normal ist.

Und dann ändert es sich auch nie.

Dann ändert es sich auch nie. Ich maße mir nicht an, den weiblichen Blick aller Frauen zu haben, viele sehen es sicher anders. Es ist mein weiblicher Blick auf die Technikwelt und mir fallen nun mal noch andere Dinge auf, als den meisten Männern in der Technikwelt.

Zu guter Letzt: Vervollständige den Satz „Durch mehr Frauen in der Technik(-vermittlung) verspreche ich mir…

…mehr Diversität. Punkt.“

Collage Foto von Vera Bauer mit oranger Steckbriefgrafik
Vera Bauer im Porträt /Collage: Tim Breuer

/Interview geführt von Tim Breuer

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