Zuletzt aktualisiert am 23. Oktober 2025
Branchen mit hohem wirtschaftlichen Anreiz, wie die MINT-Industrien, bleiben trotz einer leicht positiven Entwicklung weiterhin überwiegend von Männern geprägt. Zwar ist der Frauenanteil in technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen in den letzten Jahren leicht gestiegen, doch im internationalen Vergleich zeigt sich: Der MINT-Bereich kann mit der Entwicklung in anderen Branchen, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen, nicht Schritt halten. Das geht aus dem Global Gender Gap Report 2025 des Weltwirtschaftsforums (WEF) hervor.
Ein zentraler struktureller Faktor liegt in der mangelnden Vereinbarkeit von MINT-typischen Arbeitsbedingungen mit den biografischen Realitäten vieler Frauen. Sie übernehmen weltweit nach wie vor einen überproportionalen Anteil an unbezahlter Sorgearbeit, was sich in häufigeren Erwerbsunterbrechungen widerspiegelt: Frauen nehmen im globalen Durchschnitt 55,2 Prozent häufiger als Männer eine berufliche Pause. Auch ein misogynes Arbeitsklima oder Erfahrungen mit Belästigung können zu einem Wechsel in andere Branchen führen.
Über alle Wirtschaftszweige hinweg zeigt die Studie, dass Frauen in 109 von 148 analysierten Ländern inzwischen mehr Hochschulabschlüsse als Männer erreichen. Die Bildungsparität, also der Grad der Bildungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, liegt global bei 95,1 Prozent. Dennoch beträgt der Gesamtwert der geschlossenen Geschlechterlücke über alle gesellschaftlichen Bereiche hinweg lediglich 68,8 Prozent. Diese Fortschritte in der Bildung spiegeln sich also nur begrenzt in der beruflichen Stellung von Frauen wider.
Trotz der fortschreitenden Angleichung in der höheren Bildung bestehen weiterhin deutliche Defizite bei der wirtschaftlichen Teilhabe. Weltweit sind nur 29,5 Prozent der leitenden Positionen mit Frauen besetzt, obwohl sie über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen. In den obersten Managementebenen liegt der Anteil sogar nur bei 28,1 Prozent. Diese Diskrepanz wird als „Drop-to-the-top“-Effekt bezeichnet und verdeutlicht, dass der Aufstieg in Führungspositionen für Frauen weiterhin mit strukturellen Barrieren verbunden ist.
Die Arbeitsmarktteilhabe von Frauen liegt global bei 41,2 Prozent. Überdurchschnittlich vertreten sind sie in personenbezogenen, jedoch meist geringer entlohnten Berufsbereichen: Im Bildungswesen liegt der Frauenanteil bei 52,9 Prozent, im Gesundheitswesen bei 58,5 Prozent. Branchen mit hohem ökonomischem Wachstumspotenzial, wie Ingenieurwesen, IT oder Energie, bleiben dagegen männlich dominiert.
Im internationalen Vergleich zeigen sich deutliche Unterschiede in der Gleichstellung. Island führt das Ranking mit einem geschlossenen Gender Gap von 92,6 Prozent zum 16. Mal in Folge an. Weitere Länder mit einem hohen Gleichstellungsgrad von über 80 Prozent sind Finnland, Norwegen, Neuseeland, Schweden und Deutschland. Die größten Fortschritte seit 2006 verzeichnete Lateinamerika und die Karibik mit einem Zuwachs von 8,6 Prozentpunkten. Europa weist die weltweit höchste politische Partizipation von Frauen auf (35,4 Prozent) und liegt auch bei der wirtschaftlichen Teilhabe über dem globalen Durchschnitt. Die größten Ungleichheiten bestehen weiterhin im Nahen Osten und Nordafrika (61,7 Prozent geschlossen) sowie in Südasien (64,6 Prozent).
Auch in Ländern mit weitgehender Bildungsgleichheit bleibt der Zugang zu Führungspositionen oft eingeschränkt – ein Muster, das sich in hochindustrialisierten ebenso wie in aufstrebenden Volkswirtschaften beobachten lässt. Der Global Gender Gap Report 2025 prognostiziert, dass bei gleichbleibendem Tempo der Fortschritte erst in rund 123 Jahren vollständige Geschlechterparität erreicht werden wird.
/ Tim Breuer
