Zuletzt aktualisiert am 5. Juli 2023
Es gibt viele Initiativen, um Mädchen für MINT-Berufe zu gewinnen, zum Beispiel den jährlichen Girls‘ Day oder die Initiative „Komm, mach MINT“. Das Forschungsteam hinter gender2technik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) hat dagegen den Fokus auf die Vermittlung von Technik-Themen durch die Medien gelegt. Ende März wurden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt.
Sieben Leitlinien für Technikvideos, die Mädchen ansprechen, sind Ende März an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg präsentiert und diskutiert worden. Rund 60 Interessierte, darunter viele Schülerinnen und Lehrkräfte aus dem Rhein-Sieg-Kreis, sahen zunächst ein Video, in dem die Praxis-Tipps vorgestellt und kommentiert wurden. Anschließend diskutierten sie mit geladenen Expertinnen über die Bedeutung von Videos zur Stärkung des Technik-Interesses von Mädchen.
Die sieben Leitlinien sind ein Ergebnis aus dem Forschungsprojekt „Elektrotechnik statt BibisBeautyPalace“. In dem von der VolkswagenStiftung finanzierten Projekt ist der Frage nachgegangen worden, was Technik in den Medien für Mädchen attraktiv macht. „Es war uns wichtig, aus unseren Erkenntnissen auch Schlüsse für die Praxis zu ziehen“, so Susanne Keil, Professorin für Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Leiterin des Forschungsprojekts.
Schülerinnen geben Feedback zu den Leitlinien
Auf dem Podium saßen neben Susanne Keil zwei Schülerinnen: die 16-jährige Elin Kaisa Welsch vom Gymnasium Siegburg Alleestraße, selbst Teilnehmerin beim Projekt, und Annika Maria Berg, 17 Jahre, Schülerin der Liebfrauenschule Bonn und einziges Mädchen in ihrem Physik-Leistungskurs. Außerdem die Technik-Youtuberin Vera Bauer aus Lübeck, die den Kanal „Tech Like Vera“ betreibt, Kerstin Helmerdig von der NRW-Initiative Zukunft durch Innovation (zdi) und dort verantwortlich für die Mädchenförderung, und Gesche Neusel von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Gesche Neusel arbeitet in der Gleichstellungsstelle und bietet die Mädchenferienkurse zu Technikthemen an. Moderiert wurde die Diskussion von Juliane Orth, Technikjournalistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt.
Die Leitlinien wurden insgesamt als gute Tipps für die Technik-Video-Produktion gewertet. „Ihr habt uns gut beobachtet“, sagte Elin, die in der ersten Phase des Projekts unter Anleitung selbst Technik-Videos konzipiert und produziert hatte. Die drei bis vier Minuten langen Videos der Mädchen wurden in einer zweiten Phase von anderen Mädchen im Rahmen von leitfadengestützten Interviews angesehen und bewertet. In einer abschließenden standardisierten Online-Befragung haben sich noch einmal gut 100 Mädchen und 50 Jungen die Videos angesehen und Fragen dazu beantwortet.
Videos können Brücken zu Technik schlagen
Gesche Neusel unterstrich die Leitlinie, nach der Technik mit anderen Themen, wie Kunst, Sport oder Lifestyle, die näher am Leben von Mädchen sind, in Verbindung gebracht werden sollten: „Wir müssen die Technik ändern und an Mädchen anpassen und nicht die Mädchen an Technik,“ sagte sie.
Auch die Leitlinie, nach der in Technik-Videos Mädchen auftreten sollten, die Technik erklären, stieß auf Zustimmung. Annika schlug vor diesem Hintergrund vor, dass es in den Schulen ältere Schülerinnen geben sollte, die als Mentorinnen den jüngeren technische Sachverhalte zeigen könnten. „Das ist gut, weil sie vom Alter her nicht so weit von denen entfernt sind, die etwas lernen sollen.“ Sie unterstützte auch die Leitlinie, nach der Technik mit Humor vermittelt werden soll: „Humor hilft, sich Dinge zu merken und kann man gut als Eselsbrücke einsetzen.“
Kein Tabu: Probleme im Umgang mit Technik
Positiv gewertet wurde insbesondere die Leitlinie, nach der Probleme und Herausforderungen im Umgang mit der Technik gezeigt werden sollten: „MINT ist für Fehler prädestiniert“, sagte Kerstin Helmerdig. Es gehe darum, herumzuspielen, auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Technik-Youtuberin Vera Bauer berichtete, dass sie erst mit der Zeit den Mut gefunden habe, Fehler im Umgang mit der Technik zu zeigen. „Und es hat dann natürlich auch die entsprechenden Kommentare von Männern gegeben.“ Sie habe sich zunächst auch an den Technikvideos von Männern orientieren müssen, „weil es das war, was ich auf Youtube vorgefunden habe“. Erst nach und nach habe sie sich stärker auf die Zielgruppe der Frauen konzentriert und ihre Videos geändert. „Dabei musste ich ausprobieren, was funktioniert und was nicht. Auf Youtube gibt es für mich keine weiblichen Vorbilder.“ Hoffnung der Projektverantwortlichen ist es, mit den Leitlinien langfristig auch andere weniger technikaffine Zielgruppen für Technikthemen zu gewinnen, wie Juliane Orth abschließend betonte.