Zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2025

Wie prägt das Auto das Bild von Männlichkeit? Mit der Verbreitung von Elektroautos stellt sich diese Frage neu – und komplexer. Eine studentische Arbeit zeigt: Die Akzeptanz von Elektroautos hängt bei Männern stark davon ab, wie sie präsentiert werden.

An der Ampel sitzt ein Mann in einem BMW. Den Ellbogen lässig aus dem Fenster gelehnt, lässt er den Motor bedrohlich brummen. Diese Szene ist mehr als ein bloßes Klischee – sie spiegelt die enge Verbindung zwischen Autos und der Konstruktion von Männlichkeit wider. Elektroautos könnten das männlich-geprägte Verhältnis zum Auto transformieren. Denn auch Dynamik, Beschleunigung und technologische Innovation von Elektorantrieben bieten das Potenzial, Männer anzusprechen. Dies hat eine Gruppendiskussion der Masterstudierenden Tim Breuer und Kasimir Hupe gezeigt. Und dennoch: Die Zielgruppe der jungen Männer verbindet Autos nach wie vor stark mit Status, Macht und Erfolg – kurz gesagt: mit ihrem Selbstbild. Um die Akzeptanz von Elektroantrieben zu erhöhen, könnten Automobilmedien hier gezielt ansetzen.

Das Auto als Symbol des Erfolgs

Der Besitz eines Autos geht für viele weit über die reine Fortbewegung hinaus. Autos werden als Statussymbole betrachtet, die den sozialen Rang und den finanziellen Erfolg des Fahrers widerspiegeln. Hochpreisige Marken wie Aston Martin oder Porsche werden von den Teilnehmern als Ausdruck von Wohlstand und Prestige wahrgenommen. Markus*, ein Teilnehmer der Diskussion, formulierte treffend:

„Wenn ich das Geld hätte, würde ich mir einen Aston Martin kaufen, nur für die soziale Anerkennung, weil ich weiß, dass ich in gewisse Kreise eindringen kann, die mich weiterbringen.“

  • Markus*

Das Auto als Symbol von Status ist in der Vorstellung von „Männlichkeit“ verankert, wie auch Anna-Lena Berscheid, Soziologin und Referentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, schon 2014 beschrieben hat. Diese Symbolik wird nicht nur über das Auto selbst, sondern auch über das Image der Marke und die äußere Erscheinung vermittelt. Alex* hob hervor, dass das Design und die Performance des Fahrzeugs die persönliche Bestätigung des eigenen Erfolgs unterstützen:

 „Je leistungsstärker das Auto ist, desto mehr Status verkörpert es. Der Mann wird als kompetent angesehen, jemand, der etwas aus seinem Leben gemacht hat.“

  • Alex*

Technologische Offenheit und Elektroautos: Ambivalente Akzeptanz

Trotz der Dominanz von Verbrennern zeigte die Gruppendiskussion auch eine wachsende Offenheit für Elektroeautos. Einige Teilnehmer äußerten sich positiv über das Fahrgefühl von E-Autos, insbesondere das „schwebende“ und „leise“ Fahren, das für viele ein neuartiges und angenehmes Erlebnis darstellte:

„Ich bin einmal mit einem Tesla gefahren, und das war das erste Mal, wo ich überhaupt ein bisschen Begeisterung für Autos gespürt habe. Dieses Fahrgefühl war sehr angenehm, dieses ganz leise, dieses Schweben.“

  • Christian*

Allerdings bleibt die sensorische Erfahrung – ein zentraler Aspekt der Verbrennerkultur – ein Hindernis für die vollständige Akzeptanz von Elektrofahrzeugen unter den Teilnehmern. 

Der Klang eines kraftvollen Motors und die haptische Kontrolle über das Fahrzeug werden als unverzichtbare Merkmale des Fahrspaßes beschrieben:

„Das puristische Gefühl, wenn du an der Ampel stehst und den Sprit im Tank schwappen hörst oder spürst, das hat auch seinen Reiz. Ich bin einen 69er Mustang gefahren und dieses Gemisch aus Öl und Benzin, der Geruch, wenn du den Wagen startest, das ist einfach großartig.“

  • René*

Die emotionale Bindung an diese sensorischen Erlebnisse zeigt, dass das Fahrzeugerlebnis weit über Aspekte der technischen Innovation hinausgeht.

Patriarchale Filmhelden

Die Diskussion offenbarte, dass viele der Teilnehmer seit ihrer Kindheit mit Autos sozialisiert wurden und diese als Teil ihrer Männlichkeitsperformanz verinnerlicht haben. Dies wird unterstützt durch kulturelle Symbole wie den actiongeladenen James Bond, der Autos als Ausdruck seiner Identität nutzt:

„Ich glaube, Männer werden in ihrer Kindheit viel mehr mit Autos konfrontiert als Frauen und sind dadurch schon interessierter und von Autos geprägt.“

  • Alex*

Die Entscheidung für ein bestimmtes Auto – sei es ein Sportwagen oder ein SUV – wird durch gesellschaftliche Erwartungen und persönliche Ambitionen geprägt. Autos werden in der Diskussion als „Soziale Währung“ beschrieben, die Männer in die Lage versetzen, sich zu behaupten und ihren Status zu manifestieren.

Einige Teilnehmer betonten, dass Elektroautos in ihrer Darstellung den klassischen Verbrennern bewusst ähneln sollten, um keine Brüche in der Wahrnehmung zu provozieren:

„Ich finde eine Darstellung mit einem E-Auto, das an einer Ladestation steht, sehr unattraktiv. Das ist genau das, was ich nicht möchte. Den Fokus nicht auf den Antrieb zu legen, dass es möglichst gleich dargestellt wird, also actionreich, sportlich, cool, könnte ein bewusster Ansatz sein. Es bleibt gleich in dem Sinne: Aspekte wie Performance, Größe, Sound, Geschwindigkeit, bleiben erhalten, weil das bei E-Autos genauso wichtig ist.“

  • Paul*

*Die Namen der Teilnehmer wurden von der Redaktion geändert.

Petromaskulinität: Fossile Brennstoffe & Selbstdarstellung?

Im Jahr 2022 beliefen sich die weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe auf 7 Billionen Dollar (Internationaler Währungsfond), was fast dem Doppelten des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Christian Stöcker, deutscher Journalist, Professor an der HAW Hamburg und Leiter des Masterstudiengangs „Digitale Kommunikation“ führt in seinem Buch „Männer, die die Welt verbrennen“ (2024) auf, wie diese massiven Subventionen Unternehmen begünstigen, die fossile Brennstoffe fördern, während sie gleichzeitig immense Umweltschäden verursachen. Laut Stöcker war das Wirtschaftswachstum der letzten 200 Jahre stark von fossilen Brennstoffen abhängig, wobei Männer die größten Vorteile daraus zogen. Frauen hingegen profitieren weitaus weniger und sind gleichzeitig überdurchschnittlich stark von den Folgen von Extremwetterereignissen betroffen.

Cara New Daggett, assoziierte Professorin und Politikwissenschaftlerin am Virginia Polytechnic Institute, beschreibt in ihrer Arbeit zu Petromaskulinität, wie fossile Brennstoffe eng mit der Performanz von „Männlichkeit“ verbunden sind – ein Konzept, das sie als Petromaskulinität bezeichnet. Männer, die diese Haltung verkörpern, betrachten leistungsstarke, kraftstoffbetriebene Fahrzeuge nicht nur als Konsumobjekte, sondern als Ausdruck ihrer Identität und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Daggett zeigt, wie in diesem Zusammenhang Umfelder entstehen, die von männlich geprägten Normen, Werten und Verhaltensweisen dominiert werden.

Anna-Lena Berscheid zeigt in ihrer Forschung zu autonomen Fahrzeugen, dass Autos ein zentrales Symbol für die Performativität von Männlichkeit sind: Attribute wie Geschwindigkeit, Risiko und Macht spielen dabei eine entscheidende Rolle. Das „Beherrschen“ und „Gebrauchen“ von Technik kann hier als gender-affirmierender Akt verstanden werden.

Allerdings wird dieses Bild zunehmend durch die technologische Entwicklung herausgefordert. Berscheid argumentiert, dass autonome Fahrzeuge und E-Mobilität, die den risikoreichen „Fahrspaß“ einschränken, die traditionelle Verbindung zwischen Autos und hegemonialer Männlichkeit infrage stellen könnten. Auch Diskussionen in Online-Foren und sozialen Medien zeigen, wie Männlichkeitsbilder im Kontext von Elektrofahrzeugen und neuen Technologien stark verhandelt werden, so die Ergebnisse der Masterarbeit „Technikvideos auf YouTube: Wann ist ein Mann ein Mann?“ im Rahmen des Studiengangs „Technik- und Innovationskommunikation“.

Männer: Ein heterogenes Publikum für E-Autos?

Aus den Erkenntnissen der Gruppendiskussion konnten drei fiktive, männliche „Typen“ gebildet werden – der Futurist, der Pragmatiker und der Nostalgiker. Diese spiegeln ein heterogenes Publikum mit unterschiedlichen Erwartungen, Wünschen, Sorgen und Einstellungen wider, das individuell zugeschnittene Botschaften und Argumente benötigt, um von Elektroautos überzeugt zu werden. Die Offenheit für Elektroantriebe variiert stark und weitere Personas, die sich im Rahmen der Diskussion nicht erfassen ließen, sind nicht auszuschließen. Die „Typen“ könnten – in ihrer zugespitzten Form – zu einer Orientierung für Technikkommunizierende in der Automobilbranche dienen. (Quelle Slides zu Personas: Tim Breuer)

Persona: Mann vor modernen Auto, er ist Futurist
Bild Mann neben SUV, Persona: Der Pragmatiker
Mann sitzt auf Autohaube und arbeitet als KFZ-Mechaniker, Persona: Der Nostalgiker.

Eine personalisierte Darstellung von Elektroautos

Inwiefern Redakteur*innen und Produzierende von Automobilmedien Männer mit Inhalten zu E-Auto direkt ansprechen und überzeugen wollen, hängt von Kontext, Ziel und der Ausrichtung der entsprechenden Redaktion oder Autor*innen ab. Um die Akzeptanz von Elektroautos in der männlich- und fossil-dominierten Automobilkultur zu fördern, konnten aus der Diskussion mehrere Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, wenn eine entgegenkommende Ansprache erwünscht ist:

1. Dynamische Darstellung:  

Es wird empfohlen, dynamische und actionreiche Fotos zu verwenden, die Fahrzeuge in Bewegung zeigen. Dies vermittelt ein Gefühl von Leistung und Energie.

2. Hochwertige Fotografie und Layout:  

Attraktive Umgebungen wie Naturkulissen und visuelle Techniken wie leichte Froschperspektiven lassen die Fahrzeuge eindrucksvoll und stilvoll erscheinen.

3. Hervorhebung von E-Autos:  

Elektroautos sollten durch ihre Technologie, Beschleunigung und Leistung hervorgehoben werden, statt sie in statischen Szenen wie beim Laden darzustellen. 

4. Fahrgefühl und Erlebnis:  

Inhaltlich sollte das Fahrgefühl betont werden. Emotion ist ein wichtiger Aspekte, der auch bei Elektroautos durch kreative Darstellung hervorgehoben werden könnte.

5. Pragmatische Sichtweisen:  

Praktische Vorteile wie Kosten, Effizienz und Eignung als Familienwagen sollten hervorgehoben werden. Vergleichstests und Berichte, die diese Aspekte beleuchten, bieten einen großen Mehrwert für die Leser.

6. Offenheit gegenüber neuen Technologien:  

Informative Artikel, die die Vorteile und Funktionsweisen von E-Mobilität erklären, fördern die Akzeptanz neuer Technologien bei einer breiten Zielgruppe.

7. Personalisierte Inhalte:  

Es ist ratsam, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, sei es technikaffine Leser, pragmatisch orientierte Fahrer oder solche, die emotionale und sensorische Aspekte des Fahrens schätzen. Maßgeschneiderte Inhalte erhöhen die Bindung der Leserschaft.

Zu der Methodik:

Die Methode umfasste eine Gruppendiskussion mit sieben männlich-selbstidentifizierenden Personen, die alle über einen Führerschein verfügen. Die Teilnehmenden wurden über berufliche Netzwerke generiert und waren dem Moderator nicht persönlich bekannt. Die Diskussion fand in einer häuslichen Umgebung am 14. Juli (Abends) statt, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen und den Studienablauf organisch in den Tagesverlauf der Teilnehmenden einzubetten. Die Diskussion war in fünf Phasen mit einem Fragebogen strukturiert: Zunächst wurden grundlegende Einstellungen und Erfahrungen mit Autos erfasst, gefolgt von einer Bildbewertung nach Attraktivität (fünf Fotos von Elektrofahrzeugen, fünf Fotos von Verbrennern), bei der die Teilnehmenden nicht wussten, welche Fahrzeuge Elektroautos waren. Anschließend wurden sie schrittweise an die Konzepte Petromaskulinität und Antriebstechnologie herangeführt. Nach der Aufklärung über die Elektroautos wurde ihre veränderte Wahrnehmung thematisiert, bevor abschließend Fragen zu Maskulinitätsbildern und Statussymbolen gestellt wurden. Die Auswertung erfolgte durch eine Transkription der Diskussion mittels MAXQDA sowie eine Analyse anhand deduktiver und induktiver Codes (z.B. Status oder technologische Offenheit). Daraus wurden drei Personas entwickelt, die als Zielgruppen für Technikkommunizierende in der Automobilbranche relevant sein könnten.

/ Tim Breuer

Zeige KommentareVerberge Kommentare

Schreibe einen Kommentar