Zuletzt aktualisiert am 10. Juni 2020
Warum sie einen Frauenstudiengang Maschinenbau an der Hochschule Ruhr West gegründet hat, erläuterte Professorin Alexandra Dorschu am 8. März bei der Live-Aufzeichnung eines Role Model Podcasts in Dortmund.
Natürlich wolle sie für Frauen kein einfacheres Maschinenbaustudium anbieten, stellte Alexandra Dorschu bei der Veranstaltung des NRW-Gleichstellungsministeriums am 8. März klar. Es gehe ihr aber darum, die Studienbedingungen von Frauen in einem ingenieurwissenschaftlichen Fach besser zu machen.
Mit den Worten „Frauen brauchen Vorbilder“ läutete Moderatorin Diane Jägers, Leiterin der Abteilung Gleichstellung, den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen anlässlich des Internationalen Frauentages in Dortmund ein: Das Gespräch zwischen Isa Sonnenfeld, Gründerin des „Role Models Podcast“, und Professorin Alexandra Dorschu von der Hochschule Ruhr West, die den ersten Maschinenbaustudiengang ausschließlich für Frauen etabliert hat und leitet.
Mehr weibliche Vorbilder
Nach einer kurzen Einstimmung zwischen den beiden jungen Frauen und einer Applaus-Generalprobe ging der ganze Saal live in den „Role Models Podcast“. „Das ist für uns beide hier ein Experiment“, betonte Sonnenfeld, „wir kennen uns nicht und hatten vorher nur E-Mail-Kontakt“. Dorschu bedankte sich zunächst sehr bescheiden dafür, dass sie überhaupt vor diesem Publikum sprechen dürfe. Sie habe sich damals nicht zugetraut, ein Maschinenbaustudium zu beginnen, erklärte die jetzige Professorin für Mathematik, Mechanik und Naturwissenschaftsdidaktik.
Auch „Role Models Podcast“-Gründerin und Google News Lab Leiterin Isa Sonnenfeld, die unter anderem auch die erste Mitarbeiterin von Twitter in Deutschland war, gab zu: „Ich hatte um mich herum nur wenige weibliche Vorbilder.“ Diese seien aber wichtig für Motivation, Inspiration und Hilfe, vor allem in der Tech-Branche, sodass sie, gemeinsam mit David Noël, den „Role Models Podcast“, bei dem Vorbildfrauen interviewt werden, ins Leben rief. Und der Podcast richtet sich nicht nur an Frauen, denn „auch Männer sollen hören und sehen, wie viele tolle Frauen es gibt“, so Sonnenfeld.
Ein geschützter Raum für Frauen
Obwohl sie in der sorgfältigen Vorbereitung auch Befragungen von Studentinnen durchgeführt hatte, stieß Dorschu mit ihrem Vorschlag eines Frauenstudiengangs Maschinenbau an der Hochschule Ruhr West in Mülheim – sogar bei der Gleichstellungsstelle – zuerst auf Kritik. Doch sie sagte sich: „Eine so geniale Idee darfst du nicht aufgeben“ und kämpfte weiter – mit Erfolg. Seit dem Wintersemester 2018/19 bietet die Hochschule den Studiengang nun erstmals an.
„Ich werde eigentlich immer als erstes gefragt, ob der Studiengang einfacher ist“, erklärte Dorschu, dabei wolle sie die Studienbedingungen für Frauen nur besser machen. Der Studiengang biete einen geschützten Raum und ermögliche einen besseren Zugang zu Ingenieurberufen: „Man wird nicht jeden Tag gefragt: Warum studierst du als Frau Maschinenbau?“
Maschinenbau kreativer als Mode
Auf die Frage, welche Entwicklungen bei den Studentinnen zu beobachten seien, gab Dorschu an, dass sie schon nach nur einem Semester Veränderungen im Verhalten erkennen könne. Erst seien die jungen Frauen schüchtern, blühen dann aber immer mehr auf: „Sie versuchen dann doch wieder in der Masse zu verschwinden, und das verhindert natürlich der Studiengang. Die Frauen sind unter sich, also hinter wem sollen sie sich verstecken?“
Auch stellen die Studentinnen selbst fest, dass Maschinenbau vielseitiger ist, als sie es sich vorgestellt haben. Dazu berichtete Dorschu von einer ihrer Studentinnen, die zuvor Modedesign studierte, und die Maschinenbau nun als viel kreativer empfand. Außerdem sei es zu bemerken, dass die meisten Studentinnen – wie auch Dorschu selbst – nur männliche Vorbilder im Bereich Technik und Ingenieurwesen haben. Dies müsse sich ebenfalls ändern.
Medizintechnik und Bionik versus Autoschrauber
Was die Medienberichterstattung über Ingenieurberufe angeht sieht Dorschu noch Verbesserungsmöglichkeiten. Vor allem auf der bildlichen Ebene werde noch häufig das Klischee des Bauarbeiters mit Blaumann und Baustellenhelm vermittelt, was nicht der reellen Arbeit eines Ingenieurs oder Maschinenbauers entspreche. Auch seien es nicht immer nur die Autoschrauber, wie es so oft vermittelt werde. „Das spricht viele Frauen einfach nicht an, das würde mich auch nicht ansprechen“, so Dorschu.
Wenn es gelingen würde, diese Bilder zu verändern, würde das derartige Studiengänge nicht nur für Frauen, sondern auch für weitere Männer attraktiver machen. Neben Industrietechnik und Autos gehören eben auch Bereiche wie Medizintechnik oder Bionik zum Aufgabenfeld einer Ingenieurin oder eines Ingenieurs.
Kritik bringt Aufmerksamkeit
„Mindestens die Hälfte der Leute, mit denen ich in einem Raum bin, finden diesen Studiengang ganz schrecklich“, so Dorschu. Kritik versucht sie dennoch nicht zu nah an sich heranzulassen. So ein Medienecho bringe dem Studiengang mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Es müsse ja auch nicht jeder Maschinenbau studieren. Sie sehe es einfach als Experiment, um vielleicht einen Teil dazu beizutragen, mehr Frauen für den Ingenieurberuf zu gewinnen.
Derzeit gibt es in Mülheim an der Ruhr 16 Einschreibungen für den Frauenstudiengang Maschinenbau. Zum Vergleich: An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg studieren im Wintersemester 2018/19 im ersten Fachsemester 80 Männer und acht Frauen Maschinenbau (nicht kooperativ). Ob Dorschus Experiment erfolgreich ist, wird sich allerdings erst nach ein paar Semestern zeigen. Welche MINT-Frauenstudiengänge es bereits gibt, erfahren Sie auf gender2technik.
Anlässlich des Internationalen Frauentages hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen am 8. März Vertreter aus Politik, Gleichstellungsgremien, Hochschulen und andere Interessierte im Dortmunder U empfangen. Die Veranstaltung fand unter dem Motto „Papier ist geduldig? 70 Jahre Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz“ („Männer und Frauen sind gleichberechtigt“) statt.
Das Gespräch zwischen Isa Sonnenfeld und Alexandra Dorschu gibt es in voller Länge ab dem 26. März im „Role Models Podcast“ bei Soundcloud, Spotify und Apple Podcasts.
/Juliane Schneider