Natürlich sollen die Inhalte von gender2technik Frauen dazu ermuntern, einen technischen Beruf zu ergreifen. Aber noch sind nicht alle Betriebe reif dafür, wie unser Interview mit zwei Industriemechanikerinnen gezeigt hat. Ein Kommentar.

Wir waren selbst überrascht, als uns Marie und Annika unabhängig voneinander von ihren Erfahrungen in der Ausbildung zur Industriemechanikerin erzählt haben. Und wie sie dann im gemeinsamen Interview berichtet haben, wie schwer es für beide war, sich tagtäglich als einzige Frau unter Männern in Produktionsanlagen und Werkhallen zu bewegen, hier zu arbeiten und sich zu behaupten. Wie sie überhört wurden und die Kollegen für sie sprechen mussten, wie sie ihre Arbeit in Blau“männern“ verrichten mussten, die ihnen nicht passten, wie sie auf ihr Geschlecht reduziert wurden und dies von Vorgesetzen unter den Teppich gekehrt wurde.

Vor allem entsprachen ihre Erzählungen so gar nicht den Hochglanzbroschüren und Imagevideos, mit denen viele Firmen selbst, aber auch Bildungseinrichtungen oder Portale zur Berufsorientierung für Frauen in technischen Berufen werben.

Imagevideos versus Nacktkalender

Natürlich können Annika und Marie Einzelfälle sein. Zahlen zu Diskriminierungserfahrungen in technischen Ausbildungen oder Berufen sind schwer zu bekommen. Die IG Metall hat laut Stefanie Geyer, Ressortleiterin Frauen- und Gleichstellungspolitik beim Vorstand, erst für den nächsten der jährlichen Ausbildungsreporte Fragen zu sexueller Diskriminierung aufgenommen. Dafür, dass die beiden mit ihren Erfahrungen nicht so ganz alleine sind, spricht aber ein ähnlicher Bericht, der Ende 2017 auf zeit.de veröffentlicht worden ist. Hier berichtet die Autorin sogar von Nacktkalendern und Handypornos, mit denen sie während ihrer Ausbildung zur Industriemechanikerin konfrontiert wurde, und dass insbesondere die älteren Kollegen es „sich in ihrem Sexismus gemütlich gemacht“ hatten.

Bilder von nackten Frauen in den Werkshallen waren auch Auslöser für eine Betriebsvereinbarung mit dem Titel „Respektvoller Umgang“, über die Ilka Biedermann, 2011 als Betriebsrätin bei AcelorMittal in Bremen auf der Website der IG Metall in einem Interview berichtet. Inzwischen hat die IG Metall eine Art Werkzeugkoffer mit Muster-Betriebsvereinbarungen und Präventionsmaßnahmen entwickelt.

Man könnte daher vermuten, dass es einen Unterschied macht, ob man als Frau in einem großen Unternehmen arbeitet, das sich Gleichberechtigung auf die Fahnen geschrieben hat und versucht, diese top down umzusetzen. Oder in einem eher kleinen Betrieb, der eine solche Unternehmensphilosophie eventuell gar nicht verfolgt. Aber eine unserer Interviewpartnerinnen hat ihre Ausbildung in einem sehr großen Unternehmen der Technik-Branche absolviert.

Kein Kavaliersdelikt: Sexuelle Belästigung

Sicherlich muss auch zwischen reiner Ausbildung und dualem Studium mit integrierter Lehre unterschieden werden. Aber Annika hat auch in ihrer in das Maschinenbau-Studium integrierten Ausbildung Ausgrenzung und “Anmache“ erlebt. Dort, wo mit den Händen gearbeitet wird, wo Maschinen bewegt, Metalle gebogen und Lasten gehoben werden, ist das Klima offenbar noch rauer als in den Büros der Ingenieurinnen und Ingenieure, die planen, entwickeln und die Umsetzung eher begleiten.

Aber die beiden haben auch von positiven Erfahrungen berichtet: von Kollegen, mit denen sie sich gut verstanden, von Ausbildern, die sie in Schutz genommen haben, von gesteigerter Durchsetzungsfähigkeit und von sehr guten Verdienstmöglichkeiten.

Was den Betrieben noch fehlt sind Geschäftsleitungen, die es mit der Gleichstellung ernst meinen, das Thema oben auf die Agenda setzen und hart gegenüber Kollegen durchgreifen, die Frauen in den Werkstätten keinen Respekt entgegenbringen. Und auch die Medien sind gefragt: indem sie Frauen in technischen Berufen stärker sichtbar machen und sie dabei aber nicht als Exotinnen, sondern ganz normale Arbeitnehmerinnen darstellen.

/Susanne Keil

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