Aktuell wächst eine Tech-Branche heran, die überwiegend von Gründerinnen getragen wird: digitale Medizin- und Gesundheitsprodukte für Frauen. Ein Berliner Start-up hat ein Progesteron-Tracking für zuhause entwickelt.
Medizintechnik speziell für Frauen erlebt derzeit einen Digitalisierungsschub. Die Palette neuartiger Produkte reicht von smarten tragbaren Milchpumpen bis zu kühlenden Ohrclips gegen Hitzewallungen. Während die meisten technisch gestützten Verfahren zur Verhütung auf die Kombination aus Spezialthermometer und App setzen, nutzt das Berliner Start-up Inne den Nachweis von Progesteron im Speichel.
Technik wie beim Corona-Schnelltest
Gründerin Eirini Rapti wirbt damit, dass sie die Labortest in die heimischen vier Wände geholt hat. Ihr Team hat ein faustgroßes Gerät entwickelt, das die Teststreifen mit der Speichelprobe ausliest und so den Progesteron-Spiegel ermittelt. Steigt der Wert des Gelbkörper-Hormons, ist das ein Indiz für den Eisprung.
Grundlage für den Test ist ein Verfahren, das in der Fachsprache der Biochemie Lateral-Flow-Immunassay genannt und auch bei Schwangerschaftstests sowie aktuell Covid 19-Schnelltests genutzt wird. Es weist Stoffe mit Hilfe von Antikörpern nach. Dabei wird das Wanderungsverhalten von Molekülen durch verschiedene Schichtmaterialien untersucht, an denen sich beim Andocken an die Antikörper Farbreaktionen zeigen.
Algorithmus sagt Eisprung voraus
Ausgewertet werden die Teststäbchen dann von einem hierfür programmierten Algorithmus. Die aktuellen Werte werden per Bluetooth oder W-LAN an die zum System gehörende App schickt. „Damit der Algorithmus den Eisprung präziser vorhersagen kann, ist es wichtig, dass regelmäßig Progesteronmessungen durchgeführt werden. Nach zwei bis drei Zyklus-Durchgängen ist der Algorithmus dann in der Lage, anhand der bisherigen Messungen den Tag des Eisprungs vorherzusagen“, sagt Rapti.
Die in Berlin lebende Griechin verfolgt ihre Geschäftsidee seit 2016. Zuvor hat die studierte Betriebswirtin in verschiedenen internationalen Projekten des Gesundheitswesens gearbeitet. Ihre Mission: Frauen einen Einblick in ihre Körper zu geben und so fundierte Entscheidungen in Sachen Sexualität und Gesundheit zu ermöglichen. 2019 hat sie auf EU-Ebene eine Finanzierung von acht Millionen Euro von verschiedenen Investoren erhalten. Rapti beschäftigt ein internationales Team aus Forscher*innen, Software-Ingenieur*innen und Designer*innen.
Femtech-Markt wächst
Andere Unternehmen der Female Technology-Branche, wie das deutsche Start-up Ovy und das schwedische Natural Cycles bestimmen die Fruchtbarkeit anhand der Körpertemperatur, die in Kombination mit einer App Vorhersagen ermöglichen soll. Während Ovy für sich reklamiert, dass die Daten des Basaltthermometers per Bluetooth übertragen werden können, bietet Natural Cycles die einzige mobile Anwendung, die den Titel „zertifizierte Verhütungsmethode“ tragen darf. Unmittelbare Konkurrenz für Raptis Inne ist auch das Londoner Start-up Juno Bio, das ebenfalls ein Testkit für zuhause entwickelt hat. Allerdings werden die fruchtbaren Tage hier anhand vaginaler Mikrobiome ermittelt.
Auch Rapti strebt eine Zulassung ihres Verfahrens als Verhütungsmethode an. Die dafür notwendigen Studien mussten aufgrund von Corona verschoben werden. Noch ist die App von inne nur für I-Phones verfügbar. An der Android-Version wird gearbeitet.
/Susanne Keil (zuerst erschienen am 16.02.21 auf heise.de)