Zuletzt aktualisiert am 28. August 2019
Von vier Personen nutzen drei auf ihrem heimischen Computer oder Laptop Google als Suchmaschine, so eine Statistik von Mai 2019. Eine Suchmaschine dient klassischerweise der Informationsbeschaffung, nicht selten auch zu potenziellen Jobs. Möchte sich aber eine Frau über den Beruf der Maschinenbauerin informieren, so bekommt sie von Google nur ein schlappes „Meintest Du: Maschinenbauer?“. Muss das sein?
Gibt jemand bei Google „Maschinenbauerin“ ein, oder schreibt es in einer der Office-Anwendungen, wird immer „Maschinenbauer“ als Korrektur vorgeschlagen – die männliche Bezeichnung. Da stellt sich die Frage, ob es vielleicht gar keine Maschinenbauerin gibt. Und ob! Die kann nur niemand finden, denn auch bei der Zusammensetzung „bekannte Maschinenbauerin“ zeigt Google auf den ersten Seiten nur Ergebnisse zu (männlichen) Maschinenbauern an. Nun könnte es ja sein, dass es andersherum genauso wäre, dass es also für weiblich konnotierte Berufe ebenfalls kein männliches Pendant gibt. Typisch frauendominierte Berufe sind nach dem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung [PDF, 2MB] zum Beispiel Erzieherin oder Friseurin. Beide Berufe kennt Google aber auch in männlicher Form, den Erzieher und den Friseur. Warum gibt es dann keine Maschinenbauerin, keine Mechatronikerin, keine Schreinerin, keine Glaserin?
Google hat aber auch ein anderes Problem, anhand dessen Vermutungen aufgestellt werden können, warum die Suchmaschine mit den meisten Marktanteilen der Welt so sexistisch scheint. Brasilianische Forscher*innen haben 2018 ein Paper [PDF, 1 MB] veröffentlicht, in dem sie den Sexismus des Google Übersetzers wissenschaftlich nachgewiesen haben. Möchten wir zum Beispiel den Satz „Sie ist Pilotin“ vom Deutschen ins Ungarische übersetzen, erhalten wir das Ergebnis „Ő pilóta“. Nun übersetzen wir genau diesen Satz zurück ins Deutsche und sind erstaunt, denn Google übersetzt nun „Er ist ein Pilot“. Die Ungarn kennen nämlich keine grammatikalischen Geschlechter.
Grund dafür, dass Google eine geschlechtsneutrale Form in eine männliche übersetzt, ist wohl seine Funktionsweise. Die Suchmaschine funktioniert als KI, eine künstliche Intelligenz. Damit lernt sie selbstständig anhand von Datenmaterial, mit dem man sie füttert. Da es weniger Artikel zu Pilotinnen als zu Piloten und eben auch weniger zu Maschinenbauerinnen als Maschinenbauern gibt, kennt die Suchmaschine hauptsächlich die männliche Form. Das ist zwar eine Erklärung, aber ein Grund sollte es nicht sein. Die Forscher*innen fordern, dass der Internetkonzern seine Suchmaschine mit anderem „Trainingsmaterial“ füttert, um neutrale Ergebnisse anzuzeigen.
Diskussion um Nationalhymne
In den sozialen Medien entspann sich vor einiger Zeit die Diskussion, ob die deutsche Nationalhymne nicht eine Überarbeitung benötigt. Warum? Sie sei ebenfalls sexistisch. Angestoßen hatte diese Idee die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums Kristin Rose-Möhring im März dieses Jahres. Sie beanstandete zum Beispiel die erste Zeile: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“
Wieso heißt es dort Vater-Land? Ist es nicht unser aller Land? Der Änderungsvorschlag würde das Vaterland durch „Heimatland“ ersetzen, so Rose-Möhring. Doch damit nicht genug. Wieso heißt es: „Brüderlich mit Herz und Hand“, es könnte doch auch „Couragiert mit Herz und Hand“ heißen. Nutzer*innen der sozialen Medien kamen bei der Debatte auf mehr oder weniger ernst gemeinte weitere Ideen, welche Begriffe man ändern könnte. Statt „Muttersprache“ sollte es dann beispielsweise „Heimatsprache“ heißen. Bei vielen Twitter-Nutzer*innen scheint die Idee von Kristin Rose-Möhring, die Nationalhymne zu verändern, eher auf Ablehnung gestoßen zu sein.
Die Journalistin Miriam Hollstein stellte die These auf, dass die Zeile schon längst geändert worden wäre, wenn es „schwesterlich mit Herz und Hand“ heißen würde, und die Männer diese Hymne seit Jahrzehnten so singen müssten.
Deutsche Sprache – wessen Sprache?
Doch könnten dann nicht zahlreiche andere Begriffe auch geändert werden? Wie sieht es beispielsweise mit der Schraube und der Mutter aus? Im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften heißt es zur Geschichte dieses Begriffs unter anderem, dass hier sexuelle Bilder eine Rolle gespielt haben mögen. Auch von weiblicher Scham ist die Rede beim Vergleich der Wort- und Bedeutungsentwicklung über verschiedene Sprachen hinweg. Aber wer hatte diese Bilder im Kopf und hat sie auf den zylindrischen Hohlkörper übertragen?
In der Technik tauchen derartige geschlechtliche Konnotationen von Werkzeugen und Produktionsverfahren häufiger auf. Ähnlich ist es bei der Herstellung von Schallplatten: Die erste Platte ist der Vater, aus diesem geht die Mutter, eine Positiv-Kopie des Vaters, hervor, aus der dann wiederum der Sohn, wie der Vater eine Negativ-Kopie, entsteht. Die Söhne sind schlussendlich die Kopier-Vorlage, anhand derer die Platten zum Verkauf gepresst werden.
Bei all den Möglichkeiten, die verändert werden können, um der Gleichberechtigung der Geschlechter näherzukommen, gibt es aber auch bereits Erfolge. Denn wo wir inzwischen immer sowohl auf eine weibliche als auch auf eine männliche Form zurückgreifen können, ist auf unserer Smartphone-Tastatur, zumindest seit 2016. Denn dort führte Whatsapp die „Berufe-Emojis“ ein, von denen es sowohl eine weibliche, als auch eine männliche Figur gibt.
/Susanne Keil