Obwohl viele Frauen und Mädchen begeisterte Reiterinnen sind, ist der Hufschmiede-Beruf eine Männerdomäne. Für Marie Claire Schichel ist es ihr Traumberuf.

Die endlich wärmer werdende Frühlingssonne erwärmt den kleinen unscheinbaren Ponyhof in Hartenberg, Königswinter. In der Ferne ist Vogelgezwitscher zu hören und aus dem Hofradio schallen Schlager. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen scheinen hier ganz weit weg. Marie Claire Schichel, die von allen einfach nur Mary genannt wird, schleppt einen schwarzen Wassereimer und stellt ihn neben ihrem ebenfalls schwarzen Transporter ab.

Die Heckklappe ist geöffnet und so auch ihre mobile Werkstatt. Marys erster Kunde, ein Shetlandpony wartet bereits. Nick, der ihr noch nicht einmal bis zur Hüfte reicht, bekommt heute neue „Schuhe“. Mary ist selbstständige Hufschmiedin und dafür verantwortlich, dass neben dem kleinen Pony auch etwa 400 andere behufte Vierbeiner in der Region alle sechs bis acht Wochen neue Hufeisen bekommen.

Nicht immer wird Mary als Hufschmiedin erkannt

Die Hufschmiedin kürzt mit einer langen Zange den Hufnagel.
Das Horn am Huf wächst wie menschliche Fuß- und Fingernägel und muss bei jedem Hufeisenwechsel gekürzt werden. /Quelle: Orth

Mit ihrer fahrenden Werkstatt besucht Mary täglich einen Pferdehof nach dem anderen. Heute macht sie Halt auf dem Hof „Ponyreiten Siebengebirge“. Vor der Arbeit ist noch Zeit für ein kurzes Pläuschchen mit Christa, der guten Seele des Hofs, die diesen zusammen mit ihrem Mann leitet. Mary und Christa verstehen sich gut. Wenn die junge Hufschmiedin zu neuen Kund*innen kommt, muss sie sich den Respekt manchmal erst erarbeiten. „Bei einer neuen Stelle muss ich mir erst mal meine Schmiedeschürze anziehen, um ernstgenommen zu werden, sonst wird gefragt: ‚Und für wen bist du die Reitbeteiligung?‘“, erzählt Mary.

Doch abgesehen davon, dass Frauen zuerst nicht mit diesem Beruf in Verbindung gebracht werden, sind die Reaktionen trotzdem oft positiv. „Viele Leute bevorzugen aber auch Schmiedinnen, weil sie glauben, ich bin netter zum Pferd“, sagt Mary. „Ich werde aber auch mal laut, wenn das Pferd blöd ist“, ergänzt sie lächelnd, während sie zu Pony Nick geht.

Zange statt Nagelknipser

Die Hufschmiedin entfernt zunächst die alten Nägel und Hufeisen des Shetlandponys und macht sich anschließend an die Hufpflege. „Alles was mehlig und porös ist, kommt ab“, erklärt sie. Während Mary tief gebückt die kleinen Ponyhufe ausschneidet und mit einer Zange wie mit einem großen Nagelknipser den Rand des Hufs kürzt, ist Nick schmusig. Er knabbert an Marys Zopf, ertastet mit seiner langen Pferdezunge ihren Hals und legt zu guter Letzt auch seinen Kopf auf ihren gebeugten Rücken. Schmerzen empfindet das Pony nicht, das Horn ist genauso unempfindlich wie menschliche Fingernägel.

Der Einfachheit halber kniet Mary sich neben das Pony. „Mich so hinzuknien, mache ich aber auch nur bei netten Pferden“, sagt sie schmunzelnd. Mary kennt zwar die Marotten ihrer vierbeinigen Kund*innen, trotzdem sind Pferde auch immer ein Risikofaktor in ihrem Beruf. Blaue Flecken und Kratzer sind nichts Außergewöhnliches, auch umgeworfen und gezwickt wurde Mary schon. Gebrochene Knochen hatte sie aber glücklicherweise noch nie, ihre schlimmste Verletzung war eine starke Prellung am Brustkorb.

Die rollende Werkstatt ist mit allem ausgestattet

Dann wird die idyllische Ruhe auf dem Ponyhof durch ein lautes, zischendes Geräusch gestört. Mary ist zurück zu ihrem Wagen gegangen und hat ihren transportablen Schmiedeofen angeschmissen, um darin die neuen Hufeisen für das Pony zu erhitzen. Der Schmiedeofen wird circa 800 Grad Celsius heiß und befindet sich zusammen mit Amboss, Bandschleifer, Standbohrmaschine und vielen anderen Werkzeugen und Schubladen im hinteren Teil des speziell ausgebauten Transporters – Marys ganzer Stolz. Nur Strom und Wasser braucht die Hufschmiedin vom Ponyhof. Alles andere hat sie immer dabei: vom kleinsten Nagel über ihre wichtigsten Werkzeuge – Hammer und Messer – bis hin zu Amboss und Schmiedeofen.

Die Hufeisen werden „weich wie Knete“

Die Luft flimmert, als Mary die hellorange-glühenden Hufeisen aus dem Ofen nimmt und sie auf dem Amboss mit gezielten Schlägen bearbeitet. Was für Außenstehende wie wahlloses „Herumhämmern“ aussieht, ist hoch konzentrierte Arbeit. Mary passt das Hufeisen exakt für das kleine Pony an – nach Augenmaß und durch ihre siebenjährige Erfahrung als Hufschmiedin. Wenn die Eisen im Ofen waren, sind sie „weich wie Knete“ und können gut bearbeitet werden.

Wie der Name schon verrät, handelt es sich bei Hufeisen um geschmiedetes Eisen. Doch auch in der Hufschmiedebranche gibt es stetige Neuentwicklungen, beispielsweise Hufeisen aus Aluminium oder Kunststoff, sogenannte orthopädische Beschläge für kranke und alte Pferde. Die Rohlinge kauft Mary bei einem Großhändler ein. Auf der Schmiedeschule hat sie zwar auch gelernt, Hufeisen selbst zu schmieden, im Arbeitsalltag ist dies jedoch kaum zu bezahlen oder zeitlich umzusetzen.

Hufschmiedin schlägt mit einem Hammer auf das noch glühende Hufeisen.
Mary formt und bearbeitet das noch glühende Hufeisen. /Quelle: Orth

Dichter Qualm und Geruch nach verbranntem Grillgut

Mary greift das noch immer glühende Hufeisen mit einer Zange und läuft zum Pony herüber. Sie stellt sich neben das neugierig guckende Tier, nimmt den Huf in die linke Hand und presst mit der rechten das glühende Eisen darauf. Es zischt und sofort entsteht eine dichte gelb-weiße Qualmwolke, in der die Hufschmiedin und das Pony augenblicklich verschwinden. Um dennoch etwas sehen zu können, versucht Mary den Rauch wegzupusten. Trotz des Zischens, des Qualms und des Gestanks – es riecht nach verbranntem Grillgut – bleibt das Pony erstaunlich ruhig stehen und lässt die Situation über sich ergehen.

Als Mary das Hufeisen wieder wegnimmt, ist auf dem Horn ein schwarzer Rand zu erkennen – die eingebrannte Kopie des Hufeisens. So kann sie überprüfen, ob es passt. Zufrieden geht sie zurück zu ihrem Wagen und lässt das noch heiße Hufeisen in den Wassereimer fallen. Zischend und blubbernd kühlt es sofort ab.

„Männer sind oftmals erstaunt.“

Mary ist nun seit drei Jahren selbstständig. Auch wenn sie viel zu tun hat, oft auf sich allein gestellt ist und vorarbeiten muss, um sich freinehmen zu können, bereut sie die Entscheidung nicht. Um sich mit anderen Schmiedekolleg*innen auszutauschen, geht sie regelmäßig zum Schmiedestammtisch. Dort trifft sie vor allem auf männliche Kollegen. Mary beobachtet: „Männer sind oftmals erstaunt: ‚Die macht das Gleiche wie ich und packt das auch.‘“

Auch während ihrer Ausbildung auf der Schmiedeschule wurde Mary mit Vorurteilen konfrontiert. „Hier Mary, die Ponys sind für dich“, sagten ihre männlichen Mitschüler beispielsweise, um sie zu necken. Aber die anfänglichen Vorbehalte konnte Mary entkräften. „Als sie gemerkt haben, dass ich anpacken kann, musste ich auch ran“, erinnert sie sich.

Die Hufschmiedin und ein Pferd stehen in einer dichten Qualmwolke.
Durch das sogenannte Aufbrennen kann Mary überprüfen, ob das Hufeisen passt. /Quelle: Orth

Eine Weiterbildung und keine Ausbildung

Der Hufschmiede-Beruf ist kein Ausbildungsberuf, sondern eine Weiterbildung, der beispielsweise eine Metallbauausbildung vorangeht. Es gibt aber auch alternative Wege, den Beruf zu erlernen. Mary brauchte dank ihres Abiturs nur ein zweijähriges Praktikum, eine besondere Eignungsprüfung und eine sechsmonatige Fortbildung an der Schmiedeschule. Gerade weil der Beruf kein Ausbildungsberuf ist, ist der Job für viele unattraktiv, vermutet Mary. Zudem bemängelt sie, dass angehende Hufschmied*innen zu wenig über Pferde lernen würden.

Während sie noch spricht, schnappt sie sich die abgekühlten Hufeisen und einige Nägel und beginnt die neuen „Schuhe“ anzulegen. „Das mag der Kleine gar nicht“, sagt Mary, noch bevor sie anfängt und fügt direkt hinzu: „Die ganz Kleinen sind ähnlich anstrengend wie die ganz Großen.“ Dann hält sie das Hufeisen an und schlägt die Nägel in das Horn, zuerst mit kleinen vorsichtigen Schlägen und dann mit drei bis vier kräftigen Schlägen, für die sie weit ausholt. Das Pony bleibt ruhig und die Nägel sitzen, kein Schlag geht daneben – jedenfalls heute. „Es passiert leider immer noch, dass ich mir auf die Finger schlage“, beichtet Mary. „Aber nicht mehr so oft wie früher.“

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„Proud to be a farrier“

Auf ihrem schwarzen T-Shirt, an dem bereits einige Pferdehaare hängen, steht der Spruch „Proud to be a farrier“, ein Satz, den Mary sofort unterschreiben würde. Für sie ist der Job ein Traumberuf. Dabei hätte sie nach den ersten zwei Monaten in ihrem Praktikum bei einem Hufschmied fast hingeschmissen, weil die Arbeit doch körperlich sehr anstrengend war. Aber sie zog das Praktikum durch, nicht nur weil sie sich für ein Jahr verpflichtet hatte, sondern auch, weil sie beruflich unbedingt etwas mit Pferden machen wollte. „Es ist viel Technik, man braucht ein bisschen Kraft, aber es ist alles machbar“, erklärt Mary. „Für mich war das eigentlich das Beste, was passieren konnte. Es ist wirklich ein toller Job.“

Viele Pferde, wenig Hufschmied*innen

Nachdem sie die Hufeisen befestigt hat, muss Mary die Nägel nur noch abpitschen und vernieten, also kürzen und umbiegen, damit das Eisen hält und sich die Pferde nicht verletzten. Für ein Pferd mit vier Hufeisen braucht sie mindestens eine Stunde. Ihr nächster Kunde Scouter ist eine Nummer größer und steht auch schon bereit. Mary versucht, ihren Arbeitstag gegen 17 Uhr zu beenden. Das gelingt ihr nicht immer, denn es ist einfach viel zu tun. Die Hufschmiedin ist der Meinung: „Hier in der Gegend gibt es einfach viele Pferde, da könnten es ruhig auch ein paar Hufschmied*innen mehr sein.“ Aus diesem Grund möchte Mary andere für ihren Job begeistern und kann sich auch vorstellen jemanden auszubilden.

/Elena Eggert

 

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