Zuletzt aktualisiert am 26. August 2020
Was macht Technik für Mädchen spannend? Um das herauszufinden, haben wir Schülerinnen – die potenziellen Studentinnen von morgen – in ihren Schulen besucht und mit ihnen diskutiert.
„Vielleicht würde ich mich und den Roboter verkleiden“, erklärt Julia* (13) und sorgt damit bei ihren Klassenkameradinnen für zustimmendes Gelächter. „Man könnte ihm ein Kleidchen anziehen und dann ein lustiges Video machen, in dem man den Roboter rumkommandiert“, pflichtet Lena* (13) bei. „Koch das!“, ergänzt Julia* (13) lachend. „So wie im Abenteuer oder im Märchen soll es sein: Und dann kommt das edle Ross und dann kommt der Staubsauger-Roboter“, beschreibt Mayra* (13). Die Mädchen prusten vor Lachen laut los. Wir befinden uns im Klassenraum einer siebten Klasse, mitten in einer Diskussion zum Thema Technik, mit sieben jungen Damen, denen es an Fantasie zur Ausgestaltung eines Videos über einen Roboter nicht zu mangeln scheint.
Um sich der Fragestellung, was Technikberichterstattung für Mädchen attraktiv macht anzunähern und herauszufinden, ob sich Mädchen für Technik interessieren und was Technik für sie spannend macht, haben wir in einer explorativen Studie 38 Schülerinnen befragt. Mit dem Blick auf die Medien, wollten wir in Gruppendiskussionen erfahren, welche Informationsquellen die Mädchen schon nutzen, um ihr Wissen über Technik zu erweitern und wie eine adäquate Technikvermittlung ihrer Meinung nach aussehen könnte. Dieser Beitrag soll einen Einblick in erste Ergebnisse zu den ausgewählten Themenschwerpunkten „Informationsquellen für technische Inhalte“ und „Vermittlung technischer Inhalte“ liefern.
Online-Medien als Hauptinformationsquelle
Neben Familie, Freunden und Bekannten spielen vor allem die Medien eine große Rolle bei der Informationssuche. Dabei ziehen die Schülerinnen vorwiegend das Internet und die Suchmaschine Google zu Rate: „Ich versuche es selbst herauszufinden und wenn ich das nicht schaffe, gucke ich im Internet. Und wenn es dann auch nicht geht, dann frage ich irgendjemanden.“ (Dilara*, 14, 8. Klasse) Die Mädchen wählen bei technischen Fragestellungen spezielle Internetseiten für Schüler (z.B. „Sofatutor“) aus, auf denen Inhalte „leichter“ bzw. zielgruppengerecht erklärt werden. Beliebt sind auch Foren und Online-Communities wie „gutefrage.net“. Allgemein geben die Mädchen aber auch an, auf die Vertrauenswürdigkeit der Internetseiten und den dort verbreiteten Informationen Wert zu legen.
Eine weitere wichtige Informationsquelle für technische Inhalte und Fragestellungen sind Videos. Die Schülerinnen konsumieren diese unter anderem in Form von Webvideos und Tutorials über die Video-Plattform Youtube. Im Speziellen werden hier die Kanäle „Simpleclub“, „5-Minute-Crafts“ (hier werden sogenannte Lifehacks in kurzen Do-it-yourself-Videos aufgearbeitet) und „TED (Talks)“ genannt, die sich eher am Rande mit dem Thema Technik befassen. Die Schülerinnen geben an, nur wenige Kanäle zu kennen, die sich ausschließlich auf Technik beziehen: „Also, wenn man zum Beispiel nach Livestyle-Kanälen fragt, können wir Mädchen wahrscheinlich zehn auf einmal sagen. Und wenn man nach Technik fragt, sind es, glaube ich, sehr, sehr wenige.“ (Sabine*, 14, 8. Klasse)
Auch das Fernsehen spielt eine Rolle bei der Information über technische Zusammenhänge. Neben den Nachrichten werden Wissenssendungen wie Galileo, Terra X, Erde auf Zukunft (KIKA), Willi will’s wissen und Wissen macht Ah genannt. Instagram und Snapchat hingegen werden nicht zur Information über Technik genutzt, bzw. die Mädchen haben es noch nicht ausprobiert: „In Snapchat geht das ja gar nicht.“ (Sophia*, 14, 8. Klasse) Technische Inhalte seien beispielsweise auf Instagram „viel schwerer zu finden, als auf Google“ (Dilara*, 14, 8. Klasse).
Bücher bei speziellen Fachgebieten
Gelegentlich greifen die Mädchen bei der Informationssuche auch zu Büchern. Hier werden der Brockhaus sowie „Bücher zu Informatik“, also zu speziellen technischen Fachgebieten, genannt. Auch Bedienungsanleitungen werden bei technischen Fragestellungen zu Rate gezogen. Die Wahl der Informationsquelle hängt aber auch von dem jeweiligen technischen Thema ab. Wenn beispielsweise das Handy nicht mehr funktioniert, würden die Mädchen die passenden Informationen nicht in einem Buch vermuten. Bei moderner Kommunikationstechnik haben die Bücher, die sie kennen, für die Mädchen also eher keinen Nutzwert und einen altmodischen Charakter: „Also unsere Bücher sind richtig alt, da steht sowas nicht drin. Da steht höchstens drin, wie man einen Computer anmacht.“ (Vanessa*, 14, 8. Klasse) Auch in die Technikzeitschriften des Vaters oder in die Tageszeitung wird gelegentlich ein Blick geworfen: „Wenn es zum Beispiel große Hacker-Angriffe oder so etwas gab, steht das natürlich auch da drin. Da gucke ich auch manchmal rein, aber eher nicht.“ (Christina*, 14, 8. Klasse)
Information gepaart mit Humor
Bei der Vermittlung technischer Inhalte legen die Mädchen vor allem Wert auf Erklärungen. Diese sollten „einfach“, „verständlich“ und „gut“ sein. Eine Erklärung ist nach Meinung der Schülerinnen dann gut, wenn Begriffe und zugehörige Bilder visualisiert werden. Auch der Einsatz von Beispielen und Vergleichen kann zum besseren Verständnis eines technischen Themas beitragen. Fachausdrücke müssen aber nicht gemieden werden, wenn es sich um ein alltagsnahes Thema für die Schülerinnen handelt, beispielsweise, wenn es um technische Fragen rund um das Smartphone geht.
Neben der reinen Informationsvermittlung sollte Technikberichterstattung aber auch einen gewissen Unterhaltungsfaktor aufweisen. Dies gilt vor allem für audiovisuelle Darstellungen wie Webvideos: „Also, solche Youtube-Videos, wo man auch ein bisschen Unterhaltung dabei hat, finde ich auch viel interessanter, als eine komplette Seite Zeitungsartikel zu lesen.“ (Laura*, 13, 8. Klasse) Außerdem wünschen sich die Schülerinnen bei der Vermittlung von Technik eine Darstellung mit Humor, die ihnen die technischen Inhalte näherbringt und sie Spaß daran haben lässt. Dies funktioniert vor allem über die bereits genannten Videos. Diese sollten dabei lustig und kurz sein: „Wenn es zwanzig Minuten sind, dann interessiert es mich eigentlich nicht, das finde ich dann schon ein bisschen zu lang. Vielleicht könnte man in dieser Zeit schon was ganz anderes machen, als dieses Video anzuschauen.“ (Mayra*, 13, 7. Klasse) Kurze Videos seien bei der Informationssuche und -verarbeitung hilfreicher: „Wenn einer anfängt, so richtig lange zu reden, dann schaltet man irgendwann ab. Es ist halt wie beim Lesen, dass man irgendwann aufhört und man nur noch passiv zuhört, so nach dem Prinzip: Man hört es zwar, aber man speichert die Informationen nicht ab.“ (Christina*, 14, 8. Klasse)
Technik und „Mädchenkram“
Bei der Vermittlung von technischen Inhalten scheint auch der Alltagsbezug für die Schülerinnen eine Rolle zu spielen. So gibt es bei „5-Minute-Crafts“ einen weiteren Kanal speziell für Mädchen: „Das ist eigentlich immer ganz interessant. […] Da gibt es Hacks fürs Handy oder wenn man Kleider aufpimpen will.“ (Mayra*, 13, 7. Klasse)
Negative Kritik äußern die Mädchen vor allem an komplex formulierten Texten: „Ich weiß, dass ich das nicht sofort verstehen würde und dass mich das durcheinander bringen würde, weil das meistens auch voll kompliziert geschrieben ist.“ (Mayra*, 13, 7. Klasse) Als Negativbeispiel in der Aufbereitung technischer Inhalte wird Wikipedia genannt. Hier werden nach Meinung der Schülerinnen zu viele Fachbegriffe und komplexe Erklärungen verwendet, die teilweise auch abschreckend wirken können: „Die sind dann auf einem Niveau für Leute, die das studiert haben. Es ist einfach so schwer erklärt, dass man dann doch davon abgeschreckt wird.“ (Dilara*, 14, 8. Klasse) Komplexe Inhalte konsumieren die Mädchen beispielsweise auf Youtube gerne in Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Tutorials.
Webvideos als Chance
Insgesamt waren im direkten Vergleich der fünf Diskussionen keine wesentlichen Unterschiede festzustellen. Es stellte sich vor allem heraus, dass in der Vermittlung über Webvideos eine große Chance bestehen könnte, Technik für Mädchen spannender und attraktiver zu gestalten.
An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sind – wie auch an vielen anderen deutschen Hochschulen – aktuell nur gut 12 Prozent aller Studierenden in ingenieurwissenschaftlichen Fächern weiblich. Um diesem Trend entgegenzuwirken stellen wir uns als Technikjournalisten die Frage, wie es mit Hilfe der Medien gelingen kann, mehr junge Frauen für Technik und technische Studiengänge zu begeistern. Insgesamt wurden in dieser explorativen Studie 38 Schülerinnen im Alter von 12 bis 15 Jahren (Klasse 7 und 8) in fünf Gruppendiskussionen an verschiedenen Gymnasien der Rhein-Sieg-Region befragt.
/Juliane Schneider
*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.