Zuletzt aktualisiert am 24. Januar 2019

Wir haben uns ja mit diesem Blog vorgenommen, nicht nur über das Thema „Frauen und Männer und Technik“ zu informieren, sondern auch die Technikberichterstattung kritisch unter die Lupe zu nehmen.Ein Beispiel für einen aus meiner Sicht nichtgendergerechten Journalismus lieferte unlängst ein Student, der sich mit einer Reportage dem italienischen Motorroller Vespa gewidmet hat.

Dieser kam 1946, also vor genau 70 Jahren auf den Markt. Hier der Teaser zu seinem Beitrag:

70 Jahre und noch immer eine Traumfigur. Mit schmaler Taille und wohlgeformtem Hintern zieht die Vespa auch heute noch viele Blicke auf sich. 2016 feiert sie ihren runden Geburtstag. Lernt man die Fahrer der zweirädrigen Wespe kennen, zeigt sich schnell, dass die alte Dame mehr kann als gut auszusehen: Sie verbindet Menschen.

Meine Nachfrage unter den Studentinnen und Studenten in der nächsten Redaktionssitzung ergab, dass dieser Texteinstieg bei den jungen Frauen und Männern gleichermaßen Anklang fand: Er würde wirklich dazu animieren, die Reportage zu lesen. Zugegeben: Vespa heißt im Italienischen und Lateinischen nun mal Wespe. Weibliche Namen für Fahrzeuge sind ja erst einmal nicht verkehrt. Und Maschinen in der Berichterstattung zu personalisieren, ist durchaus ein gängiges journalistisches Mittel, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Warum dann von einer Vespa nicht als 70-jährige alte Dame sprechen? Was meinen Unmut heraufbeschworen hat, war eher, dass die 70-Jährige eine „Traumfigur“ hat und aufgrund ihrer körperlichen Reize immer noch „viele Blicke“ auf sich zieht.

Wie sehr hier mit stereotypen (männlichen) Vorstellungen von Weiblichkeit gearbeitet wird, wird erst deutlich, wenn man ähnlich stereotyp gängige männliche Schönheitsideale verarbeitet. Stellen wir uns den inzwischen in die Jahre gekommenen Opel Senator vor (Produktionszeitraum 1978 bis 1993), heute noch als Gebrauchtwagen erhältlich. Ein vergleichbarer Teaser würde dann in etwa so lauten:

Fast 40 Jahre und noch immer eine Traumfigur. Mit breiten Schultern und knackigem Heck zieht der Senator auch heute noch viele Blicke auf sich. 2018 feiert er seinen runden Geburtstag. Spricht man mit den Fahrerinnen des vierrädrigen Oberklasse-Modells, zeigt sich schnell, dass der stattliche Mann im besten Alter mehr kann als gut auszusehen: Er geht auch heute noch aus jedem Wettbewerb als Sieger hervor.

/Susanne Keil

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