Zuletzt aktualisiert am 16. Februar 2021
Mehr als elf Jahre lang war Annegret Schnell Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Nun verabschiedet sich die studierte Informatikerin und ehemalige Krankenschwester von dem für sie „schönsten Job der Hochschule“. Ein Porträt.
Schnell sei sie – aber nicht unüberlegt schnell, sondern pragmatisch, immer das große Ziel im Blick. So beschreiben viele Kolleg*innen und Weggefährt*innen Annegret Schnell. Aber wer genau ist sie eigentlich, die Frau, die für alle ein offenes Ohr hat, die sich für die Gleichstellung von Professorin und Professor, Studentin und Student, Mitarbeiterin und Mitarbeiter an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg einsetzt?
Annegret Schnell machte 1976 Abitur und begann anschließend ein Physik-Studium. Warum Physik? „Informatik gab es damals noch nicht“, sagt sie selbst. Das sollte erst später kommen. Doch zunächst entschied sie sich, als Krankenschwester in einer Psychiatrie zu arbeiten, später war sie auch Stationsleiterin. Knapp 20 Jahre lang war das ihr Arbeitsalltag. Als sie dann für die bessere Betreuung ihrer Tochter vom Nacht- in den Tag-Dienst wechseln wollte, ihr aber nur ein Schicht-Dienst angeboten wurde, war klar, dass diese Zeit nun enden sollte. Diese Entscheidung hat sie nie bereut, sagt sie heute.
Informatik-Studium mit Kind
Ende der 1990er Jahre – 1999 wurde der Neubau in Sankt Augustin fertiggestellt – eröffnete die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg dann „quasi vor der Haustür“. Annegret Schnell wohnt bis heute in Sankt Augustin. „Das bot mir die einmalige Gelegenheit, zu studieren. Weiter weg wäre es mit Kind nicht möglich gewesen“, erzählt sie. Statt sechs brauchte sie sieben Semester, besuchte häufig Vorlesungen am Abend und nutzte die Zeit, wenn ihr Mann, ebenfalls Krankenpfleger, die Tochter betreuen konnte. 2004 schloss sie ihren Bachelor dann erfolgreich ab.
Sie blieb an der Hochschule, wurde vom Fachbereich Informatik als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Raum- und Stundenplanung eingestellt. Dass sie das Curriculum aus eigener Erfahrung kannte, sei ihr dabei sehr zugute gekommen. So kannte sie die Bedürfnisse. 2009 wechselte dann die damalige Gleichstellungsbeauftragte Brigitte Grass als Präsidentin an die Fachhochschule Düsseldorf und machte damit ihre Stelle an der Hochschule frei.
Studierende sollen studieren können
Annegret Schnell hat einen Blick für das Wesentliche, kann anpacken, ist entscheidungsfreudig. Sie ist lösungsorientiert, offen für Ideen, aber auch für Kritik. Genauso wie man ihr vertrauen kann, vertraut sie anderen und stärkt ihren Mitarbeiterinnen den Rücken – gerade in der aktuellen Zeit, in der Berufliches und Privates verschwimmt, in der der Arbeitsplatz für die meisten Menschen nach Hause verlegt werden muss. So beschreiben sie ihre Mitarbeiterinnen und Kolleg*innen.
Leicht erscheint ihr Job dabei nicht. Schließlich muss sie die unterschiedlichen Interessen von Lehrenden, Studierenden, dem Präsidium oder Mitarbeitenden der Verwaltung unter einen Hut bringen. Doch am Ende gehe es vor allem um eins: Dass Studierende – egal ob Mann oder Frau, ob mit oder ohne Kind – an der Hochschule studieren können. Das dürfe die Hochschule nie aus den Augen verlieren, sagt Schnell.
Gender- und familiengerechte Hochschule
Dabei lag ihr das Thema Gleichstellung schon immer am Herzen. Bereits in jungen Jahren engagierte sie sich beispielsweise in der Bonner Frauenszene. Doch auch das Thema „familiengerechte Hochschule“ ist ihr sehr wichtig. „Dass die Vereinbarkeit von Familie und Studium oder Beruf nicht immer einfach ist, habe ich am eigenen Leib erfahren“, führt sie aus. Und so hat sie viele Studierende darin bestärkt und ihnen Wege aufgezeigt, ihre Ziele weiterzuverfolgen, auch mit Kind und Familie. Schnell habe das Thema Gleichstellung ohne „theoretische Scheuklappen“ in alle wichtigen Bereiche der Hochschule eingebracht und verankert, zählt Hochschulpräsident Hartmut Ihne als einen ihrer größten Verdienste für die Hochschule auf.
Elf Jahre voller Projekte in Sachen Gleichstellung
Projekte wie „hochschule.spezial“, „Try it“ oder die Zertifizierung zur „familiengerechten Hochschule“ hat Schnell gemeinsam mit anderen vorangetrieben. 2014 entwickelte sie gemeinsam in einem hochschulübergreifenden Projektteam mit der Hochschule Bochum die Kampagne „Professorin werden“, um das Berufsbild der Professorin bekannter zu machen. Bis heute gibt es passend dazu an der H-BRS auch die Workshopreihe „Grünes Licht für Professorinnen“, bei der sich Frauen auf ein Berufungsverfahren vorbereiten können.
Außerdem setzte sie sich für einen „Leitfaden für gendergerechte Sprache an der H-BRS“ ein, den sie 2020 gemeinsam mit Susanne Keil, Professorin für Journalismus, Gender und Medien, sowie dem Team der Hochschulkommunikation entwickelte.
„Einer der schönsten Jobs der Hochschule“
Dabei sei es ihr immer um die große Sache gegangen, nie habe sie „ihren eigenen Stiefel durchziehen“ wollen, beschreibt eine der Mitarbeiterinnen der Gleichstellung. Gesche Neusel, die für die „GET Together“-Ferienkurse verantwortlich ist, betont: Schnell habe immer die Menschen einbezogen, habe geschaut, welche Kenntnisse sie haben und wo man sie einsetzen könne. Es sei nie darum gegangen, die Person passend zur Stelle zu formen, sondern andersherum.
„Ich habe einen der schönsten Jobs der Hochschule“, sagt Schnell selbst. Sie kenne die ganze Hochschule, lerne immer neue Menschen kennen und komme mit ihnen Kontakt. Als Gleichstellungsbeauftragte, wo sie unter anderem auch Personalentscheidungen beiwohnt, könne sie die Hochschulpolitik „aktiv mitgestalten“. „Ob in Berufungsverfahren, in den Strategieprozessen der Hochschule, im Präsidium, an dessen Sitzungen sie in all den Jahren beratend und intervenierend teilgenommen hat“, habe sich Annegret Schnell stets für die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern eingesetzt, blickt Hartmut Ihne auf die gemeinsame Zeit zurück.
Eine Fellnase zu Hause
Und jetzt? Ein Projekt, das Annegret Schnell – durch die aktuelle COVID-19-Situation schon früher als gedacht – im Ruhestand angehen wird, sitzt bereits auf ihrem Schoß: Hundewelpe Leni wird sie wohl erst einmal auf Trab halten. Doch auch auf ihren Garten freue sie sich. Und auch um Menschen wird sie sich weiter kümmern. Nicht mehr als Gleichstellungsbeauftragte, sondern als Ehrenamtliche. „Ich möchte irgendetwas zurückgeben, vielleicht Schüler*innen in der Corona-Zeit beim Lernen unterstützen oder etwas in der Richtung.“ Ihne wünscht ihr dabei „gute, gute Gesundheit, ganz viel inneren Reichtum und viele gute Tage mit ihrem Mann. Und natürlich soll sie einfach mal in der Hochschule vorbeikommen, wenn ihr danach ist.“
/Paulina Zacharias