Zuletzt aktualisiert am 9. September 2020

Ende August ist die Gamescom 2020 zu Ende gegangen. Zum ersten Mal war das Publikum nicht live in Köln dabei, sondern zuhause vor dem heimischen PC.  Inzwischen gehören zu den Gamer*innen etwa 44 Prozent Frauen. Ändert das etwas an dem seit der Gamergate-Bewegung diskutierten Sexismus in der Szene?

Eine explorative Studie von drei Studierenden der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat gezeigt: Für viele junge Menschen in der Gaming-Community spielt das Geschlecht ihrer Mitspieler*innen offenbar kaum eine Rolle. Es komme nur darauf an, wie freundlich diese seien und ob sie die benötigte Leistung erbrächten. Dennoch wird unbewusst immer noch von einem männlichen Mitspieler ausgegangen, solange sich das Gegenüber nicht zu erkennen gibt.

Genderbeben im Internet?

Im Rahmen einer Hausarbeit im Studiengang Technikjournalismus untersuchten Sascha Werner, Charleen Schaap und Stephanie Sander mit einer qualitativen Umfrage, ob es bei den Jugendlichen einen Unterschied macht, welches Geschlecht andere Mitspieler haben. Dabei wurden die Studierenden von dem Artikel „Genderbeben im Internet?“ von Angela Tillmann inspiriert. In dem Artikel wurden unter anderem die Erfahrungen der Medien-Kritikerin Anita Sarkeesian aufgegriffen, nachdem sie seit 2013 die Online Video Reihe „Tropes vs Women in Video Games“ veröffentlicht hat, in der sie auf stereotype Geschlechterbilder in Videospielen aufmerksam machte. Die Folge: Sie sah sich „Hasstiraden sowie Todes- und Vergewaltigungsdrohungen“ (Tillman 2017; 20) ausgesetzt.

In ihrer Studie fragten Werner, Schaap und Sander die aus der eigenen Gaming-Community gewonnenen Proband*innen, ob sie Präferenzen für das ein oder andere Geschlecht bei den Mitspieler*innen haben. Zudem wurde erkundet, ob den Befragten schon einmal Belästigungen oder Drohungen aufgrund des Geschlechts aufgefallen sind oder ob sie so etwas sogar selbst erlebt haben. Insgesamt wurden 18 Proband*innen im Alter von 16 bis 23 Jahren befragt. Es handelte sich nach eigenen Angaben der Studienteilnehmer*innen um 9 junge Frauen und 9 junge Männer.

Geschlecht der Mitspieler*innen offenbar zweitrangig

Die Befragten gaben in den Interviews an, dass es eher darauf ankomme, wie jemand spiele, zum Beispiel, ob in einem kooperativen Spiel auch wirklich kooperativ gespielt würde. Auf der anderen Seite äußerten Befragte die Vermutung, dass die Hemmschwelle einiger Menschen durch die Anonymität offenbar doch gesenkt sei und dadurch auch einmal härtere Worte benutzt würden. Das beträfe aber sowohl männliche als auch weibliche Spieler.

Allerdings wurde auch festgestellt, dass im Internet jeder erst einmal mit „er“ angesprochen werde. Kaum jemand mache sich wirklich Gedanken, welches Geschlecht die Person auf der anderen Seite des Internets habe. Manchmal spiele man mit seinem Gegenüber nur 15 Minuten und konzentriere sich in der Zeit auf das Spiel. In dieser Zeit erfahre man so gut wie nichts von seinem oder seiner Mitspieler*in. Nach Ansicht der Befragten fallen mögliche Angriffspunkte, wie Geschlecht oder Charakter, damit weg.

Diskriminierungen dennoch beobachtet

Dennoch wurde von den Probanden dieser Studie ab und zu beobachtet, dass Spielerinnen, die sich zu erkennen gaben, nach einer Verabredung gefragt oder beleidigt wurden. Dies wurde eher von den männlichen Probanden geschildert. Hauptsächlich ging es bei Beleidigungen um das Vorurteil, dass Frauen schlechtere „Gamer“ seien. Es kam jedoch offenbar nie zu Situationen, wie den von Anita Sarkeesian geschilderten.

Stereotype in Videospielen

Bei der Frage nach Stereotypen ging die Meinung auseinander. Ein Teil der Proband*innen, sowohl männliche als auch weibliche, sagte, Stereotypen seien wichtig, da der Rahmen der Handlung sonst zu komplex würde. Einer der Probanden erklärte, dass dies so bereits seit Ewigkeiten im Theater gehandhabt werde. Eins der bekanntesten Beispiele ist das der Prinzessin, die von einem Ritter in glänzender Rüstung gerettet werden muss.

Der andere Teil der Probanden, ebenfalls männliche und weibliche, tolerierte Stereotypen mit der Begründung, dass es so viele gäbe und sie an der Situation nichts ändern könnten. Es wurde dabei sowohl auf klassische Stereotypen, wie die der Prinzessin, wie auch auf den neueren Trend der umgekehrten Stereotypen eingegangen: nicht die Frau ist hübsch und schusselig, sondern der Mann.

Lara Croft als Frau mit Ängsten und Skrupeln

Die Befragten waren sich weitestgehend einig, dass Computerspiele sexistische und frauenfeindliche Ansichtsweisen nicht bekräftigen. Die Hauptargumente der männlichen und weiblichen Probanden waren, dass es sich die Firmen der Spielehersteller*innen gar nicht leisten könnten, frauenfeindliche Ansichten zu verbreiten. Dies würde zu einem Umsatzverlust führen. Die Community werde immer größer und übe immer mehr Druck auf die Hersteller aus. Früher hätte das bei diversen Spielen zugetroffen, die Spieleentwickler*innen entfernten sich aber immer weiter davon und versuchten weibliche Charaktere mehr Tiefe zu geben.

In der Tat wurden frühere Spielreihen, wie zum Beispiel Tomb Raider mit der Protagonistin Lara Croft inzwischen überarbeitet. So wurde aus der äußerst attraktiven, skrupellosen Draufgängerin eine normale Frau mit Ängsten, Skrupeln und Sorgen.

Auch männliche Charaktere in knapper Rüstung

Ein männlicher Proband gab allerdings an, dass Computerspiele immer noch mit Sexismus arbeiteten. Frauen würden in Videospielen oft leicht bekleidet dargestellt, die Rüstung sei so knapp entworfen, dass sie nicht mehr als Rüstung zu erkennen sei. Das träfe mittlerweile aber ebenfalls auf männliche Charaktere in Spielen zu.

Die Probanden für die Befragung wurden in Videospiel-Foren oder in Online-Games gefunden. Die Befragungen wurden mit den Kommunikationsprogrammen Teamspeak, Discord und WhatsApp durchgeführt.

/Stephanie Sander

Quellen:

Hausarbeit: Sascha Werner, Charleen Schaap und Stephanie Sander (2018): Jugendliche in der Gaming-Szene: Macht es bei den Jugendlichen einen Unterschied welches Geschlecht andere Mitspieler haben? – Eine qualitative Befragung zur Erhebung der impliziten und expliziten Einstellungen zum Thema Geschlecht, Frauenfeindlichkeit und Sexismus in der Gaming-Szene. Studiengang Technikjournalismus (B.Sc.) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Tillman, Angela (2017) Genderbeben im Internet? In:merz (medien + erziehung) – Zeitschrift für Medienpädagogik. Jg. 61, 2017, S. 20.

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