Sprachliche Fächer und schöne Worte haben Catharina Friedrich nie gereizt. Die erste weibliche Vorständin der Rhenag sieht sich selbst als Macherin. Ihre besondere Leidenschaft gilt dabei der Optimierung von technischen Prozessen mit Hilfe der Mathematik.

Seit nunmehr einem Jahr leitet Catharina Friedrich als erste Vorständin die Rheinische Energie Aktiengesellschaft gemeinsam mit ihrem Kollegen Hans-Jürgen Weck. Die Absolventin eines Mathematikstudiums und promovierte Elektroingenieurin ist hier für 270 Mitarbeiter*innen mit Aufgaben im operativen Energiegeschäft in den Bereichen Vertrieb, technische Themen sowie erneuerbare Energien verantwortlich.

In ihrer beruflichen Laufbahn bekleidete Friedrich bereits früh führende Positionen. 2003 begann ihre Karriere in der Energiewirtschaft mit der strategischen Einsatzkoordination bei der RWE Rhein-Ruhr Netzservice GmbH (heute Westnetz GmbH). Fünf Jahre später übernahm sie die Leitung einer Stabsabteilung in Neuss und arbeitete im Bereich der Prozessoptimierung. 2008 ergab sich für Friedrich aus einem Optimierungsprojekt zur Nachbildung betrieblicher Abläufe mit der TU Dresden eine Promotion am Lehrstuhl für elektrische Energieversorgung. Friedrich schrieb die Doktorarbeit parallel zu ihrem anspruchsvollen Beruf und verteidigte sie drei Wochen vor der Geburt ihrer Tochter.

2013 bewarb sie sich in Köln erfolgreich um die Leitung der Bauplanungsabteilung bei der RWE. Zwei Jahre später wurde sie zur Leiterin des Regionalzentrums Sieg der Westnetz GmbH und übernahm die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb elektrischer Verteilernetze, bevor sie dann im Januar 2020 direkt in den Vorstand der Rhenag wechselte.

Im Interview erzählt die zweifache Mutter, was es für sie bedeutet, an der Spitze eines technischen Unternehmens zu stehen und wie es ihr gelungen ist, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.

Frau Friedrich, was fasziniert Sie besonders an Ihrem Beruf?

Ich mag den Gestaltungs- und Handlungsspielraum. Was mir von der Mathematik nach wie vor geblieben ist, ist, dass es immer um logische Strukturen geht. Eine Organisation kann man auch als sozioökonomisches System bezeichnen, dessen Funktionsweise ganz formal verstanden werden kann. Was steht im Regelwerk eines Unternehmens, wie sollen Prozesse umgesetzt werden und wie werden sie tatsächlich von den Mitarbeiter*innen umgesetzt? Eine Organisation ist wie ein Lebewesen, mit zum Teil definierten und auch menschlichen Strukturen. Die Struktur zu sehen, zu abstrahieren, zu vereinfachen und zu verbessern – das ist mir immer noch geblieben, auf ganz vielen Ebenen. Also, dieses Machen: Ich bin keine Vorständin, die sich immer nur Berichte zukommen lässt, sondern ich bin eine, die zum Teil tief einsteigt, um die Prozesse zu durchdringen und zu sehen, wie meine Führungskräfte ticken. Ich muss einfach ein gutes Gefühl haben, dass die Leute, die zwischen mir und den Basismitarbeiter*innen stehen, in meinem Sinne agieren.

Arbeiten Sie auch direkt an der Technik?

Nein. Von meinem Werdegang her bin ich wie gesagt Mathematikerin. Über meine Arbeit bei der RWE bin ich natürlich an Technikthemen herangekommen, aber nicht originär wie eine Ingenieurin. Ich habe kein Bauprojekt geplant, kein Kabel dimensioniert, keine Zielnetzplanung gemacht. Ich habe im Rahmen meiner Promotion zum Thema Prozessoptimierung mündliche Prüfungen über elektrotechnischen, theoretischen Stoff gehabt, habe aber keine praktische Erfahrung.

Friedrichs Arbeit an der Technik findet vorwiegend am PC statt. /Quelle: rhenag-Pressebild

Wie sind Sie darauf gekommen, Mathematik zu studieren?

Ich könnte jetzt sagen, ich wusste nichts Besseres (lacht). Das kann man ja positiv und negativ sehen. Ingenieurstudienfächer haben mich abgeschreckt, weil ich dort den Eindruck hatte, das machen Jungs. Ich hatte aber auch einen ganz schlechten Physiklehrer. Ich habe mich nicht gut genug in Physik gefühlt, um zum Beispiel Elektrotechnik zu studieren. Bauingenieurwesen hat mich nicht interessiert. Sprachliche Fächer fand ich nicht greifbar genug, weil ich nicht wusste, wie ich damit Geld verdienen soll. Mir ging es immer darum, etwas zu machen: Ich wollte immer arbeiten und Geld verdienen. 

Mathe war also das Ergebnis eines Ausschlussverfahrens?

Ja, aber bei der Studienberatung wurden mir spannende Anwendungsfelder für Mathematik gezeigt. Dass man zum Beispiel im Umfeld der Ingenieurwissenschaften mit der Optimierung der Energienutzung beschäftigt ist, etwa mit der Frage, wie Züge der Verkehrsbetriebe in New York anfahren und abbremsen müssen, um ganz viel Energie sparen zu können. In jedem CD-Player oder DVD-Player steckt Mathematik, weil Daten zu Wellen umgerechnet werden, damit ich sie als Ton hören kann. Es ist toll, was man im Zusammenspiel von Mathematik und Ingenieurwissenschaften machen kann.

Wie ging es nach dem Mathematikstudium weiter?

Ich habe immer im technischen Umfeld gearbeitet und das ist auch ein sehr angenehmes Arbeiten, weil es sehr sachorientiert und objektiv ist. Wenig Ränkespiele, wenig dieses Aufplustern und Pfauenhafte. In der Technik kommt es darauf an, dass Dinge funktionieren und dass die Abteilungen funktionieren, sodass bei einer Sturmstörung alle auf den Punkt parat stehen und die Leitung wieder aufrichten und reparieren. Somit haben die Leute im Grunde immer eine gute Expertise und können sachorientiert agieren. Man fällt auf, wenn man nichts draufhat, weil es dann einfach nicht funktioniert.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Wenn ich mir meinen Lebenslauf von außen ansehe, dann denke ich immer: Boah, ist das eine coole Frau! (lacht) Das fühlt sich aber nicht so an. Ich mag, dass ich tatsächlich sichtbar geblieben bin, trotz Familie und Kindern. Und, dass es mir gelungen ist, auch relevante Führungspositionen zu bekleiden. Ich bin relativ stolz darauf, dass es gelingt, relevant und mit Engagement zu arbeiten und dass gleichzeitig zuhause auch alles in Ordnung ist. Ich habe mich auch darüber selber noch nicht verloren. Wenn man Familie haben und auch verantwortlich arbeiten will, gehört dazu, dass die Beziehung, die man führt, gleichberechtigt, partnerschaftlich und auf Augenhöhe ist.

Was waren denn die größten Herausforderungen in Ihrer beruflichen Laufbahn?

Sicherlich die Promotion. Vielleicht auch der ein oder andere Chef, an dem ich wachsen musste. Die größte Herausforderung aber war, an meinem Selbstbild zu arbeiten. Man wächst ja in einer westdeutsch-männlich geprägten Welt auf, die ostdeutschen Frauen haben ja andere Erfahrungen. Wenn man in den Achtzigern aufgewachsen ist, waren die Mütter immer zuhause und die Männer gingen arbeiten. Kindergarten und Schule endeten mittags. Man wurde von der Mutter versorgt und bei den Hausaufgaben betreut. Für meinen Vater war das auch nicht andersherum denkbar. Das ist natürlich eine Form der Prägung, die man implizit inhaliert. Von dem Selbstbild, ich bin allein verantwortlich für die Familie und sollte höchstens in Teilzeit arbeiten, weil ich eine Frau bin, musste ich mich aktiv befreien.

Sie sind seit Januar 2020 die erste Vorständin in der 148-jährigen Geschichte der Rhenag, lastet da auch ein besonderer Erwartungsdruck auf Ihnen? Wie nehmen Sie das wahr?

Das ist mir echt egal. Das ist zum Beispiel auch ein Gedanke, von dem ich mich befreit habe: Nur weil ich Frau bin, erwartet irgendwer etwas anderes von mir. Ich merke aber, dass die Kultur des Miteinanders um mich herum gewachsen ist. Das kann man nicht mit dem Geschlecht begründen, sondern eigentlich nur mit der Person: dass ich das aktiv und bewusst anders machen will.

Was ich aber auch noch betonen möchte: Man wird nicht Vorstand ausschließlich aus eigener Kraft. Die ganze Laufbahn wird von guten Führungskräften begleitet, die in der Lage sind, Frauen eine Chance zu geben und ein gleichberechtigtes Weltbild haben. Man hat eigentlich immer – Männer wie Frauen – einen Fürsprecher für bestimmte Positionen. Es braucht Menschen dieser Kategorie, die einem etwas ermöglichen, was man für sich selber vielleicht gar nicht erstritten hätte. Es gehört also auch immer eine gewisse Unterstützung und Begleitung dazu, und die hatte ich auch… Und Leistung! (lacht)

Rheinische Energie Aktiengesellschaft (Rhenag)

Die Rhenag, 1872 in Köln gegründet, beliefert als regionaler Energieversorger Privathaushalte, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen mit Strom, Gas, Wasser und Wärme. Das Kölner Unternehmen kooperiert dabei bundesweit mit Stadtwerken, das Versorgungsgebiet erstreckt sich von Mettmann über den Rhein-Sieg-Kreis bis hin zum Westerwald. Neben dem operativen Energiegeschäft ist die Rhenag auch beratend tätig und unterstützt Stadtwerke und regionale Energieversorgungsunternehmen bei betriebswirtschaftlichen und technischen Fragestellungen.

Die Rhenag setzt sich außerdem für den Ausbau erneuerbarer Energien ein. So fördert sie zum Beispiel den Bau eines Ladestellennetzes für Stromtankstellen für Elektrofahrzeuge in Siegburg sowie die Errichtung von Windenergieanlagen im Windpark Höhn (Westerburg).

/Juliane Orth

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