Im Makerspace können sich alle Menschen treffen, an ihren Projekten arbeiten und ihr MINT-Wissen durch die Community steigern. Das funktioniert. Doch noch ist die gewünschte diverse Community eine Herausforderung.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Makerspaces gestiegen. Derzeit gibt es im deutschsprachigen Raum etwa 300 Einrichtungen. Von der Stabilität eines Regals bis hin zu Algorithmen in Computer-Software: Es sind MINT-Kenntnisse notwendig, um sie zu verstehen. Zwar werden in Schulen MINT-Fächer unterrichtet, Zeit für die praktische Anwendung ist im gymnasialen Lehrplan aber meist nicht vorgesehen.

Makerspaces sind nicht nur Freizeitorte, sondern auch eine Bildungsstätte, an der naturwissenschaftliches und technisches Wissen fernab von Schule und Beruf vermittelt wird. Sie bieten die Möglichkeit, übergreifendes Wissen, zum Beispiel aus Physik, Chemie und Informatik zu erlernen und anzuwenden. Teilnehmende arbeiten in der Community miteinander und lernen voneinander. Obwohl sich frei zugängliche Makerspaces der Inklusion versprechen, treffen sich in vielen Werkstätten überwiegend Männer.

Informelles Lernen: Bildung außerhalb der Schule

Nach der Theorie von Ray Oldenburg gilt ein allgemein zugänglicher Makerspace als sogenannter „Dritter Ort“. Damit beschreibt der amerikanische Soziologe einen Ort, der einen Ausgleich zu Familie und Beruf darstellt. Die Strukturen sind dort offener, eine Rollenzuweisung von Lehrenden und Lernenden gibt es nicht. Stattdessen existiert eine Community, die sich untereinander austauscht und in der potenziell jede*r Expert*in sein kann. „Hier erklären auch Jugendliche dem Manager, wie etwas funktioniert“, berichtet Carmen Friedrichs vom Makerspace Bonn.

„Lernen im Makerspaces ist informelles Lernen, weil es keine formalen Strukturen gibt“, weiß Sandra Schön von der Technischen Universität Graz. Dort forscht sie zum Einsatz von Makerspaces in der Bildung. „Ausnahmen bilden nur die Einweisungen in die Nutzung der Geräte, da hier das Bedürfnis nach Sicherheit überwiegt“. Makerspaces sind also Räume ohne Hierarchien.

Community: Austausch persönlich und im Internet

Diese Offenheit unterstreicht die Charakteristik eines Dritten Ortes und fördert einen wenig regelbehafteten, spielerischen Austausch. Teilnehmende bringen ihre eigenen Projekte mit und geben sich gegenseitig ihr Wissen weiter. So lernen sie voneinander und bilden ein Netzwerk. Obwohl es in Makerspaces auch Wettbewerbe gibt, steht die Kollaboration im Vordergrund.

Der offene Austausch beschränkt sich nicht nur auf einen Makerspace, sondern geht auch darüber hinaus. Viele allgemein zugängliche Makerspaces teilen ihr Wissen über das Internet. Das können beispielsweise CAD-Vorlagen für 3D-Drucker sein, die Teilnehmende unter freien Lizenzen oder unter Creative Commons weitergeben. Manchmal sind es auch ganze Erfahrungsberichte, die die Herausforderungen einzelner Projekte dokumentieren und Lösungen präsentieren oder die Community um Rat bitten.

Ein Mann und ein Junge basteln im Makerspace gemeinsam an einem kleinen, programmierbaren Auto
Jung und Alt tüfteln im Makerspace gemeinsam und lernen so voneinander. /Quelle: Makerspaces Bonn e.V.

Makerspaces als Ergänzung zum Unterricht

Durch die Möglichkeiten, die ein Makerspace bietet, erscheint es sinnvoll, sie in der schulischen Bildung einzusetzen. Eine Einbettung des Unterrichts in einen Makerspace funktioniert aber nur eingeschränkt, da er dann nach der Interpretation von Wendy Fasso und Bruce Allen Knight nicht mehr als Dritter, sondern als Zweiter Ort gilt. Dieser beschreibt ganz konkret den Arbeitsplatz eines Menschen. Für Schüler*innen ist das die Schule, in der es eine klare Rollenverteilung gibt. Im Klassenverband stehe der Wettbewerb im Vordergrund, im Makerspace das Miteinander, erklärt Friedrichs. Ein Austausch ist in der Schule daher nur eingeschränkt möglich, zumal hier ein Lehrplan gilt.

Workshops begeistern Kinder für MINT

„Kinder einfach in einen Makerspace zu stellen, wird unterschiedliche Effekte haben ‒ aber nicht zwangsläufig den erhofften“, vermutet Sandra Schön. „Schüler*innen aus Regelschulen haben bei ihrem ersten Kontakt mit Makerspaces Probleme, mit den offenen Strukturen zurechtzukommen“, erklärt sie. Dahinter stecke eine kulturelle Einschränkung, da Kinder den engen Rahmen der Schulbildung gewohnt seien und ein kreatives, eigenverantwortliches Arbeiten nicht gefordert werde. Gleichzeitig stellt das informelle Lernen in der Community aber auch den Anspruch an die Schüler*innen, da sie nun aktiv Fragen stellen müssen. Unterschiede stellt auch Carmen Friedrichs fest, die mit dem Makerspace Bonn inner- und außerschulische Workshops betreut: „Wenn wir in die Schulen gehen, müssen wir die Kinder für das Thema begeistern, weil es eher als Pflicht angesehen wird. Kommen sie zu uns, sind sie schon begeistert und lernwillig.“

Einen ergänzenden Einsatz zum naturwissenschaftlichen und technischen Schulunterricht schließt das aber nicht aus. „Makerspaces als Teil von Jugendzentren werden keine Einstiegsschwierigkeiten haben“, weiß Schön. Das Interesse an MINT-Inhalten führe zu einem Entfaltungspotenzial der Schüler*innen. Jedoch sei der Zugang ein anderer, da die Projekte interdisziplinär seien und sich nicht einem Schulfach zuordnen ließen.

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Ein Makerspace verfügt über eine Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge und Maschinen. /Quelle: Machwerk e.V. Hennef

Im Makerspace fehlen weibliche Vorbilder

„Die Interdisziplinarität und der Anwendungsbezug in Makerspaces steigert das MINT-Interesse von Mädchen und Frauen“, erklärt Sandra Schön. Allerdings spiegelt sich das bislang nicht in den Besucherzahlen wider. Im Gegenteil ist die Zahl der Besucherinnen gering. Im Magazin erwachsenenbildung.at geben die Autor*innen den Anteil der männlichen Besucher mit zwei Dritteln an, die belgische Marktforschungsstudie für das EU-Projekt Pop-Machina sieht ihn bei 80 Prozent.

Die Gründe dafür hat der französische Wissenschaftler Josip Marić erforscht. Einerseits sehen Männer den Makerspace als Freizeitort, an dem es nicht ihre Aufgabe ist, Gender-Ungleichgewichte zu hinterfragen. Stattdessen gehen sie davon aus, dass die Gesellschaft die Schuld dafür trägt und sich das Problem von selbst lösen wird. Andererseits dominieren noch immer Genderstereotype, durch die Frauen sich als Teenagerinnen vom männerdominierten MINT-Bereich distanzieren, weil sie dort für sich keine Zukunft sehen.

Einen möglichen Lösungsansatz sieht Marić beispielsweise in speziellen Öffnungszeiten, etwa an einem Tag pro Woche, zu denen Workshops für Frauen angeboten werden. Diese Angebote scheitern aber oft an einer geringen Anzahl an Teilnehmerinnen. Konkret sieht er einen Mangel an weiblichen Vorbildern, die in Workshops für Schulkinder die Genderbarriere aufbrechen können. Sandra Schön unterstreicht: „Es werden unbedingt Frauen gebraucht, die als Tutorinnen Vorbilder sein können. Wir wissen, dass Frauen und Mädchen zuerst den Zugang über ein solches Vorbild suchen“.

Was ist ein Makerspace?

Ein Makerspace ist eine Werkstatt, in der Menschen Zugang zu modernen Fertigungsverfahren bekommen. Vorwiegend handelt es sich um Maschinen, die in der Anschaffung und Wartung teuer sind. Das können zum Beispiel 3D-Drucker oder Lasercutter sein. Ziel ist die praktische Anwendung von Naturwissenschaften und Technik. Das kann die Planung und Umsetzung von Bauteilen und Geräten, aber auch das Schaffen von Computer-Kunstwerken sein. In vielen deutschen Großstädten gibt es bereits Makerspaces.

Viele offene Makerspaces werden durch einen Verein betrieben. Sie finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, erhalten aber oft auch Fördergelder von Land oder Kommune. Makerspaces gibt es auch in Schulen, Universitäten oder Unternehmen, von denen sie auch finanziert werden. Diese stehen dann aber nur Angehörigen oder Angestellten zur Verfügung.

Allgemein zugängliche Makerspaces, die sich der Fab Charter verpflichten, werden auch Fablabs genannt. Dazu zählt ökologische und soziale Verantwortung, wie etwa die freie Wissensvermittlung. So soll die Bildungsgerechtigkeit gestärkt werden. Das erste Fablab startete Neil Gershenfeld vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Jahr 2002.


/Sven Festag

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2 Kommentare

  • Peter Pröpper
    Veröffentlicht 22. Juli 2021 um 08:46 0Likes

    Pop-Machina ist keine belgische MaFo, sondern ein EU-Projekt in welchem auch die MaFo Bestandteil ist 🙂 Genauer gesagt und wie im verlinkten paper vermerkt das „deliverable 2.2“.

    • Sven Festag
      Veröffentlicht 22. Juli 2021 um 08:57 0Likes

      Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben die Stelle entsprechend angepasst.

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