Technik ist ein Fachgebiet, das auf vielen gesellschaftlichen Ebenen männlich geprägt ist. Inwieweit auch Social-Media-Kanäle wie die Plattform YouTube Männlichkeit und Technik miteinander verknüpfen, hat nun eine Masterarbeit genauer unter die Lupe genommen.
Der Youtuber Felix Bahlinger liebt schnelle Autos. Vor allem die Elektro-Marke Tesla hat es ihm angetan. Auf seinem Kanal „Felixba“ präsentiert er sich mit seinem eigenen Wagen, einem Tesla Model S. Er steuert ihn über eine Rennstrecke, lässt ihn in extravaganten Farben lackieren oder modifiziert ihn mit teuren Bauteilen. Seine über 700.000 Abonnent*innen sehen ihm regelmäßig dabei zu. Neben den Teslas ist der Schwerpunkt seines Kanals das Reviewen von Smartphones und anderen elektrischen Geräten.
Felix Bahlinger ist einer der Größen unter den deutschsprachigen Technik-Youtubern. In einer Erhebung der Social-Media-Agentur Hitchon aus dem Jahr 2023 erreicht er Platz drei der abonnentenstärksten deutschen Kanäle aus dem Bereich Technik. Den ersten zehn Kanälen im Ranking ist – neben dem Technikschwerpunkt – eine Sache gemeinsam: Sie alle werden von Männern geführt.
Technik von Männern für Männer
In einer Studie im Rahmen ihrer Master-Thesis an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg untersuchte Franziska Franken die Darstellung von Männlichkeit in Technikvideos auf Youtube. Sie analysierte ausgewählte Videos der beliebtesten deutschsprachigen Accounts mit dem Schwerpunkt Technik. Das Ergebnis: Technikcontent ist auch auf der bekannten Videoplattform stark männlich geprägt. Nicht nur die Technik-Youtuber*innen selbst sind überwiegend jung, weiß und männlich – auch in den Communitys lässt sich eine Tendenz in diese Richtung erkennen.
Zwar werden Frauen innerhalb der Technikcommunity auf Youtube nicht explizit ausgegrenzt. Die stichprobenartige Untersuchung von 1026 Kommentaren unter den Technikvideos, die von 707 Accounts gepostet wurden, ergab allerdings, dass deutlich mehr Accounts mit männlichen Attributen wie einem männlichen Namen oder einem männlichen Profilbild auf die Videos reagierten, als solche mit weiblich gelesenen Attributen. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie aus dem Jahr 2018 – sie untersuchte den Zusammenhang zwischen Gaming-Content auf Youtube und männlicher Identitätsbildung.
Abenteurer zwischen Godzilla und King Kong
Auch die in den Videos dargestellte Technik selbst verkörpert männliche Ideale. Zum Beispiel das des mutigen Entdeckers und Abenteurers, der Risiken im Umgang mit der Technik auf sich nimmt. Da ist der Sportwagen, der über die Rennstrecke rast, der Industrieroboter, der unter gewaltiger Krafteinwirkung Karosserien auf das Förderband transportiert oder der Laptop, der mit inspirierenden Sprüchen aus der Raumfahrt verziert ist und den Nutzer:innen selbst das Gefühl gibt, bei einer Weltraum-Organisation zu arbeiten. Die Youtuber interagieren mit technischen Geräten, die stark und kraftvoll dargestellt werden. „Es ist warm, es ist laut, es ist jeden Tag was Neues“ – so beschreibt ein Arbeiter in einem Auto-Produktionswerk seinen Job.
Youtuber Alexander Böhm, besser bekannt unter seinem Kanalnamen Alexibexi, hat das Interview mit ihm geführt. Der 35-Jährige nimmt seine Zuschauer:innen mit durch die Autofabrik, zeigt ihnen die Produktionsstraßen und erlebt stellvertretend für sie die Technik vor der Kamera. Bei seiner Führung durch das Werk fügt der Tech-Youtuber die Beschreibung eines Werkzeugwechsels hinzu: „Epische Vorgänge mit gigantischen Kränen, die tonnenweise Instrumente durch den Raum hieven“. Die Industrieroboter, die an diesen Abläufen in der Autofabrik beteiligt sind, wurden von den Arbeiter*innen nach den Leinwandmonstern Godzilla und King Kong benannt. Wer mit Technik interagiert, so der Eindruck, kann sich selbst in der Nähe des archaischen Filmhelden positionieren: Stark, heroisch, einem männlichen Ideal entsprechend.
Technikerleben im Fokus
Weniger verbreitet ist das Klischee des „Nerds“, der sich vor allem auf theoretischer Ebene mit Technik auseinandersetzt. Der Umgang mit Technik wird in den untersuchten Videos überwiegend praxisorientiert dargestellt. Als Qualifikation braucht es dafür lediglich Neugier und das natürliche Verlangen, Dinge auszuprobieren. So zeigen sich die Youtuber in ihren Videos als Entdecker: Sie brauchen keine Gebrauchsanleitung, um Technik in Betrieb zu nehmen. Stattdessen testen sie intuitiv und teilen ihren Zuschauer*innen währenddessen ihre Erfahrungen mit. Oft ist die Technikerfahrung der YouTuber dabei mit positiven Emotionen verknüpft. Selbst wenn sie zunächst an den gezeigten Geräten scheitern, schaffen sie es durch Tatendrang letztendlich doch immer, die Technik zu bezwingen und sie erfolgreich in Betrieb zu nehmen.
Die gezeigten technischen Geräte sind dabei selten gewöhnlich, oft hochpreisig und spektakulär. Neben dem Sportwagen zeigen die Youtuber ihren Zuschauer*innen Whirlpools (so zum Beispiel TuToTV), extravagante Bildschirme und teure Elektrogeräte mit Sonderausstattung. Konsum spielt in den Videos eine große Rolle. Vor allem in den sehr verbreiteten „Technik-Reviews“, der Bewertung der Technik anhand ausgewählter Faktoren, werden neue, oft teure Geräte ausgepackt, aufgebaut und getestet. Oft stehen bei der Bewertung die Optik, die Haptik und die Extravaganz des Geräts im Vordergrund. Funktionalität spielt in den meisten Fällen eine untergeordnete Rolle.
Uneinigkeit bei Umweltaspekten
Zweitrangig für eine gute Bewertung der gezeigten Geräte sind Umweltaspekte. Sie werden nur in sehr geringem Maße genannt und bewertet. So beispielsweise bei Felix Bahlinger und seinem Video über den Elektro-Sportwagen: Statt den Energieverbrauch auf der Rennstrecke zu hinterfragen, wird der Aspekt des Elektroantriebs höchstens in Zusammenhang mit der intensiveren Beschleunigung thematisiert. Trotzdem bildet die gezeigte umweltfreundliche Technologie einen Streitpunkt innerhalb der Community. Unter dem Video von Felix Bahlinger entspannt sich eine Diskussion über die Männlichkeit von Elektroantrieben bei Autos.
Umweltfreundliche Elektroantriebe werden von einzelnen Kommentatoren als „nicht männlich genug“ bewertet. Andere kritisieren die Einstellung: Trotz des umweltschonenden Antriebs habe ein solches Auto dennoch „Wumms“, und stehe in seiner Kraft denen mit Verbrennerantrieben in nichts nach. Auch im Video selbst ist der Fokus deutlich. Felixba dreht Runden über die Rennstrecke, spricht mit einem Begleiter über Beschleunigung, Handling, PS. Das aufregende Fahrgefühl, der Adrenalinkick und die luxuriöse Ausstattung übertrumpfen die Umweltaspekte – sie werden nicht thematisiert.
Solche Diskussionen zeigen, dass Technikcontent auf Youtube mehr ist als reine Informationsverbreitung oder Unterhaltung. Technikkanäle und ihre Communities werden zu Orten, in denen die Youtuber und ihr Publikum Männlichkeiten verhandeln und debattieren – bewusst und unbewusst. Die weibliche Perspektive auf Technik wird zwar nicht explizit ausgegrenzt, eine große Rolle spielt sie jedoch nicht.
/Franziska Franken
Weitere Beiträge und Links zum Thema
- Maloney, Marcus & Steven, Roberts & Caruso, Alexandra (2018): ´Mmm… I love it, bro!´: Performances of masculinity in YouTube gaming. In: New Media & Society 20 (5), S. 1697-1714.
- Interview mit Technik-Youtuberin Vera Bauer auf gender2technik.de
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