Zuletzt aktualisiert am 15. Februar 2019
Nur drei Prozent der Leser/-innen des Innovationsmagazins „Technology Review“ sind weiblich. Bei der Computerzeitschrift „c’t“ sieht es mit einem Leserinnenanteil von acht Prozent nicht viel besser aus. Doch warum ist das so? Interessieren sich Frauen einfach nicht für Technik? Eine Studie zweier Studentinnen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: Das Interesse der Frauen ist gegeben – sie werden durch die aktuelle Technikberichterstattung nur nicht adäquat angesprochen.
Im Rahmen ihrer Masterthesis im Studiengang Technik- und Innovationskommunikation untersuchten Sabine Schmidt und Juliane Schneider in Kooperation mit dem Life&Brain Center, einem An-Institut der Universität Bonn, die impliziten und expliziten Einstellungen von Frauen zum Thema Technik. Um die impliziten – also die unbewussten – Einstellungen gegenüber Technik zu messen, nutzten sie den Impliziten Assoziationstest (nach Greenwald et al. 1998), ein computerbasiertes Verfahren aus der Sozialpsychologie, welches die Stärke der kognitiven Assoziation zwischen zwei Dimensionen (z.B. Technik/Mode und männlich/weiblich) anhand von Reaktionszeiten misst. Dabei kamen sie zu einem überraschenden Ergebnis: die Probandinnen assoziierten auf der begrifflichen Ebene nicht Mode, sondern Technik stärker mit Weiblichkeit. So ordneten sie Worte wie „Digitalkamera“, „Smartphone“ und „Auto“ tendenziell schneller weiblichen als männlichen Begriffen zu. Worte wie „Kleidung“, „Schmuck“ und „Laufsteg“ wurden der weiblichen Dimension im Durchschnitt weniger schnell zugeordnet.
Ein zweiter Test zeigte jedoch, dass Bilder von Männern in technischen oder handwerkenden Situationen eher mit positiv konnotierten Worten wie „kompetent“ oder „geschickt“ in Verbindung gebracht wurden. Bilder von Frauen in ähnlichen technischen oder handwerkenden Situationen wurden stärker mit negativ behafteten Adjektiven wie „laienhaft“ oder „inkompetent“ assoziiert. Unbewusst wird die Kompetenz im Umgang mit der dargestellten Technik von den 39 Probandinnen im Alter von 18 bis 55 im Bildertest noch eher den Männern zugeordnet. Das Abbild eines handwerkenden oder technisch agierenden Mannes wirkt vertrauter. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass Bilder die Einstellung zu einem bestimmten Thema stärker prägen als Worte. Auf der Ebene der Visualisierung besteht also noch Handlungsbedarf. Die Medien bieten die Chance, geschlechterstereotype Rollenbilder zu verändern. Dazu könnte eine Technikzeitschrift für Frauen ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.
Das Scheitern der „Smart Woman“
Der Weka Verlag wagte 2016 mit der „Smart Woman“ einen ersten Versuch, eine Technikzeitschrift speziell für Frauen auf den Markt zu bringen und scheiterte damit relativ schnell: Die Zeitschrift wurde nach nur einem Jahr wieder eingestellt. Besonders nach der ersten Ausgabe wurde der „Smart Woman“ vorgeworfen, dass sie ein altertümliches Frauenbild vermittelt. Weitere mögliche Ursachen für das Scheitern könnten eine zu breit gewählte Zielgruppe, das zum Teil zu gering eingeschätzte Vorwissen der Leserinnen oder auch Bildkompositionen sein, die die Zielgruppe nicht ansprechen. Um derartige Fehler in Zukunft zu vermeiden, wurden in der Studie von Schmidt und Schneider verschiedene Tests und Befragungen durchgeführt (in einer Synthese der Ergebnisse wurden zum Beispiel potenzielle Leserinnengruppen erschlossen).
Technische Inhalte anders aufbereitet
In einem zweiten Untersuchungsschritt wurden die Probandinnen mithilfe eines teilstandardisierten Fragebogens unter anderem zu einer möglichen Gestaltung sowie inhaltlichen Konzeption einer solchen Technikzeitschrift für Frauen befragt. Hier wurde deutlich, dass eine genderspezifische Ansprache durchaus funktionieren kann, indem zum Beispiel in der Technikberichterstattung klare Bezüge zur weiblichen Lebenswelt hergestellt werden und ein Nutzen der Technik für die Leserin deutlich gemacht wird. Dies kann beispielsweise über eine emotionalere und persönlichere Ansprache erfolgen. So empfanden die Frauen Überschriften wie „Ingenieurin bastelt an Lebenswerk“ und „Google weiß alles über dich“ als besonders spannend. Sachliche Überschriften wie „5 Fakten über Smartmeter“ und „Apple stellt iPhone X vor“ wurden im Ranking als langweilig bewertet. Bei einer alltagsnahen und lebenspraktischen Themenwahl können aber auch sachliche Überschriften wie „Dachziegel erzeugt Solarstrahl“ das Technikinteresse wecken.
Bei der visuellen Darstellung von Technik empfanden die Probandinnen ästhetische Bildkompositionen ansprechender als zweckmäßig gestaltete Bilder. Hier kamen vor allem Technikbilder mit Alltagsbezug gut an. Die Authentizität der Bilder stand ebenfalls im Fokus. So wurde zum Beispiel das Bild einer Frau, die sich sexy auf einem Auto räkelt, stark kritisiert – die Frau wirke nicht wie eine Fahrerin. Des Weiteren bewerteten die Probandinnen Technik vor allem in Kombination mit Dekoration, Essen und Getränken, Natur und natürlich mit Menschen positiv. Wurden technische Gegenstände allein gezeigt, empfanden die Frauen das Bild als eher nicht ansprechend.
Neben dem Bedarf an technischen Inhalten und deren adäquater Aufbereitung konnte durch den Fragebogen zusätzlich ein Kaufinteresse festgestellt werden, welches jedoch nicht als Indikator für das tatsächliche Interesse an einem Technikmagazin für Frauen gesehen werden sollte (an dieser Stelle sind weitere (quantitative) Überprüfungen sinnvoll). Dennoch gaben über die Hälfte (54 %) der befragten Frauen an, dass sie eine Technikzeitschrift speziell für Frauen kaufen und dafür durchschnittlich 2,90 Euro im Monat ausgeben würden. Einige Probandinnen, die ein starkes Technikinteresse aufwiesen, würden hingegen tendenziell keine spezielle Technikzeitschrift für Frauen kaufen, da sie mit dem aktuellen Angebot zufrieden sind.
Die Generation Y als Zielgruppe
Das Durchschnittsalter der Probandinnen, die hauptsächlich Studentinnen waren, lag bei 25 Jahren. Diese zeigten ein vermehrtes technisches Interesse und gaben an, auch in ihrem Studium häufig mit Technik konfrontiert zu sein. In ihrem Alltag spielt vor allem die Kommunikationstechnik eine große Rolle. Diese könnte somit einen möglichen Themenschwerpunkt in einer Technikzeitschrift für Frauen bilden und gibt auch Auskunft über eine starke kommunikative Vernetzung dieser Generation. Informationen zu technischen Fragestellungen werden vor allem über das Internet, in Foren und über Youtube-Videos abgerufen. Ob ein Technikmagazin für Frauen als reines Printerzeugnis erscheinen sollte, war durch die Studie nicht eindeutig festzustellen. Print bleibt zudem häufig eine kommunikative Einbahnstraße, und so bietet sich eine crossmediale Aufbereitung einer Zeitschrift an.
Gerade bei der digital affinen Zielgruppe zwischen 20 und 35 Jahren (Generation Y) wären auch ein Onlinemagazin oder ein Blog denkbar, um für das Thema zu sensibilisieren und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Eine erste Umsetzung der Erkenntnisse in die Praxis ist der Technik-Blog „Fräulein Ypsilon“, der 2019 online gehen soll und natürlich auch von Männern gelesen werden darf.
/Juliane Schneider
/Quellen: Masterthesis: Sabine Schmidt und Juliane Schneider (2018): Die Bedeutung des genderspezifischen Technikzugangs für die Konzeption einer Technikzeitschrift für Frauen – Eine Untersuchung auf Basis computergestützter Messverfahren der Sozialpsychologie zur Erhebung der impliziten und expliziten Einstellungen zum Thema Technik und der Aufbereitung von technischen Inhalten. Studiengang Technik- und Innovationskommunikation (M.Sc.) der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.